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Sonett CXII William Shakespeare 1840 German

Du heilst mit Liebeswort die Schmerzenswunde,
Die auf die Stirn’ mir Pöbellust gebrannt.
Sei gut, sei schlecht mein Ruf in Aller Munde,
Wenn gut, wie schlimm dein Herz mich hat erkannt.
5 Du bist mein All! zu wissen muß ich streben,
Ob mir dein Lob, ob deine...

Sonett CXIII. William Shakespeare 1840 German

Seit fern ich von dir, ist mein Aug’ im Sinn;
Was leitend mich auf meinen Wegen richtet,
Hat seine Kraft getheilt, ist blind dahin,
Scheint sehend zwar, doch ist es ganz vernichtet.
5 Denn nicht dem Herzen kann es übergeben
Die Form, die Blum’ und Vogel dar ihm...

Sonett CXIV. William Shakespeare 1840 German

Ob es mein Sinn ist, der, mit dir gekrönt,
Den gift’gen Herrschertrank schlürft – Schmeichelei?
Ob mich mein Auge wirklich nicht gehöhnt,
Dem Zauberkunst dein Lieben brachte bei,
5 Umformend, was Natur hat mißgestaltet,
Zu Cherubim, die deinem Wesen gleich,...

Sonett CXIX. William Shakespeare 1840 German

Wie trank ich Becher voll Sirenenthränen,
Gebraut in Kesseln voller Höllengraus,
Da Furcht und Hoffnung abwechselnd mich höhnen,
Gewinn ich mißte, denn ich sah voraus!
5 In welchem Irrthum war mein Herz befangen,
Da es gedacht, so würd’ es nie beglückt!
...

Sonett CXL. William Shakespeare 1840 German

Sei weise wie du grausam bist, und quäle
Nicht meine stumme Ruh’ mit bitterm Hohn,
Daß Gram nicht Wort mir leih’, und ich erzähle,
Welch’ schonungslose Schmerzen mich bedroh’n.
5 Darf Witz ich lehren dich: so wär’ es besser,
Wenn du nicht lieben kannst, doch...

Sonett CXLI. William Shakespeare 1840 German

Nicht meine Augen sind von Lieb’ entflammt,
Da tausend Mängel sie an dir erspäh’n;
Allein es liebt mein Herz, was sie verdammt,
Dem Blick zum Trotz muß Liebe es erfleh’n.
5 Mein Ohr kann deiner Stimme Laut nicht reizen,
Zu schnödem Tasten kein Gefühl sich rührt...

Sonett CXLII. William Shakespeare 1840 German

Lieb’ ist mein Fehl, dein Haß ist Tugendsinn,
Haß meiner Sünd’, gehegt in sünd’ger Lieb’;
Doch stellst mein Thun du neben deines hin,
Nicht findest du, daß Tadel auf ihm blieb;
5 Und wenn: nicht tadel’ es mit deinem Mund,
Der seinen Purpurschmuck hat frech...

Sonett CXLIII. William Shakespeare 1840 German

Wie eine Hausfrau sorglich eilt, zu fangen
Ein Federvieh, das fort ihr ist gerannt,
Ihr Kind hinsetzt, um hurtig zu erlangen
Das Wesen, das ihr Eigenthum genannt,
5 Während ihr ungehütet Knäblein schreit,
Daß bei ihm bleibe sie, die voller Sorgen,
Der...

Sonett CXLIV. William Shakespeare 1840 German

Zwei Wesen sind’s, voll Trost und Zweifels Bann,
Die, Geistern gleich, mich führen durch die Welt,
Der beßre Engel ist ein schöner Mann,
Der bösre Geist ein Weib, von Farb’ entstellt,
5 Das Sündenweib, um mich zur Höll’ zu raffen,
Lockt meinen bessern Geist von...

Sonett CXLIX. William Shakespeare 1840 German

Kannst, grausam, sagen du, ich lieb’ dich nicht,
Da deine Seit’ ich nehme gegen mich?
Denk’ ich nicht dein, wenn gegen mich die Pflicht
Ich selber mir verweigre, nur für dich?
5 Wer hasset dich, der mir noch Freund geblieben?
Wem zürnst du, dem ich zugewandt...

Sonett CXLV. William Shakespeare 1840 German

Dem Mund, auf dem die Liebe blühte,
Entfloh das bittre Wort: „ich hasse“,
Zu mir, der schmachtend nach ihr glühte.
Doch sieht sie kaum, daß ich erblasse,
5 Als Mitleid schnell durchzieht ihr Herz;
Sie straft die Zunge, welche zart
Sonst nur gewohnt war...

Sonett CXLVI. William Shakespeare 1840 German

Des sünd’gen Leibes Mittelpunct, o Seele,
Genarrt durch deiner trotz’gen Diener Pracht,
Wie duldest du’s, daß dir die Nahrung fehle,
Da, so geschmückt, die äußre Hülle lacht?
5 Da du so arm, warum so viel verwenden
Auf des baufäll’gen Hauses äußern Schein?...

Sonett CXLVII. William Shakespeare 1840 German

Mein Lieben gleicht dem Fieber, strebend immer
Nach dem, was Stoff der Krankheit muß verleih’n;
Es lebt von dem, was macht die Krankheit schlimmer,
Folgend dem fiebrischen Gelüst allein.
5 Vernunft, der Arzt der schweren Liebespein,
Voll Zorn, daß man nicht...

Sonett CXLVIII. William Shakespeare 1840 German

Weh’, welch’ ein Aug’ hat Liebe mir verlieh’n,
Dem, was die Andern schau’n, so kann entgeh’n?
Wenn recht sie seh’n, wo floh mein Urtheil hin,
Das falsch beurtheilt, was sie richtig seh’n?
5 Wenn schön das, was mein irrend Aug’ entzückt,
Was tadelt dann die Welt...

Sonett CXV. William Shakespeare 1840 German

Es lügt das Wort, das einst ich dir geschrieben:
„Nie könnte heißer meine Liebe sein!“
Ich wüßte nicht, welch Grund mir sei verblieben,
Daß meine Flamme glüh’ mit hellerm Schein.
5 Doch wenn die Zeit, an Zufallslaunen reich,
Gelübde bricht und fürstlich...

Sonett CXVI. William Shakespeare 1840 German

Laß nicht, wo treue Seelen sich verbunden,
Einspruch gescheh’n. Nicht Liebe wird genannt,
Was wechselt, gleich wie Wechsel es gefunden,
Dem Störer zur Zerstörung bietet Hand.
5 O nein! sie ist das Licht in Himmelsweiten,
Das unerschüttert auf die Stürme blickt...

Sonett CXVII. William Shakespeare 1840 German

Beschuld’ge mich, daß karg ich konnte sein,
Dir deine reichen Gaben zu erstatten,
Daß ich vergaß, die Huld’gung dir zu weih’n,
Die theure Bande stets erheischet hatten;
5 Daß ich bei dunkeln Wesen oft verweilet,
Vergeudet hab’ dein theu’r erkauftes Recht;...

Sonett CXVIII. William Shakespeare 1840 German

Wie, um die Eßlust gier’ger zu erhöh’n,
Den Gaumen wir mit scharfen Tränken quälen,
Wie, ungesehnen Uebeln zu entgeh’n,
In Arzenei’n wir uns die Krankheit wählen:
5 So hab’, von deiner Süße vollgenährt,
Ich gern bequemet mich zu herben Brühen;
Vor...

Sonett CXX. William Shakespeare 1840 German

Wie freut es mich, daß du dereinst warst kalt;
Um jene Sorgen, die mich da gequält,
Beugt mich die Reu’ mit siegender Gewalt,
Wenn, Eisen gleich, der Geist mir nicht gestählt.
5 Denn hat dich so mein kalter Sinn durchdrungen,
Wie deiner mich, du lebtest...

Sonett CXXI. William Shakespeare 1840 German

Besser ist’s, schlecht zu sein, als so zu scheinen,
Da Nichtsein Schmach vom falschen Sein empfängt,
Gerechter Freud’ Verlust von Andrer Meinen,
Von unserm eignen Fühlen ab nicht hängt.
5 Warum soll frech der Falschheit arge Tücke
Mein wildes Blut mit schnödem...