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Sonett 86 Francesco Petrarca 1804 German

Weh mir, den Amors harter Angriff findet.
     Bey Tag und Nacht zu mehr als tausend Mahlen —
     Hin kehr’ ich, wo ich sah die Funken strahlen,
     Die ew’ge Gluth im Herzen mir entzündet.

5 Dort find’ ich Ruhe — Wenn die Nacht verschwindet,
     Wie wenn...

Sonett 87 Francesco Petrarca 1804 German

Von Amorn zum gewohnten Ort gekehret,
     Stand ich wie einer, der gefaßt zum Streiten,
     Sich vorsieht, sich umschanzt von allen Seiten,
     Mit der Entschlüsse schwachem Schild bewehret.
 
5 Ich wandte mich, und staunte süß bethöret,
     Sah...

Sonett an Clara Udo Brachvogel 1860 German

Du schautest in das Herz mir allerwegen,
Du warst die Einz'ge, der es nichts verhehlt;
Was es erhofft, erkämpft, was es verfehlt,
Stets hats ein off'nes Buch vor Dir gelegen.

Und dies Vertrauen war mein höchster Segen;...

Sonett C. William Shakespeare 1840 German

Wo bist du, Muse, und vergißt so lang,
Zu rühmen, was dir deine Macht verleiht?
Giebst du dein Feuer hin an schlechten Sang,
An Niedres deine Verse, bald bereut?
5 Kehr’ um, vergeßne Mus’, und büße jetzt
In edlen Versen die verlorne Zeit!
Dem Ohre sing...

Sonett CI. William Shakespeare 1840 German

O arge Muse, wie willst du’s entschuld’gen,
Daß Wahrheit du durch Schönheit nicht geschmückt?
Wahrheit und Schönheit meiner Liebe huld’gen;
Auch du dienst ihr, dadurch zumeist beglückt.
5 Gieb Antwort, Muse! Wirst du sagen nicht:
„Der Wahrheit fehlt nicht...

Sonett CII. William Shakespeare 1840 German

Mein Lieben wächst, mag’s wen’ger auch sich zeigen,
Nicht minder lieb’ ich, prunk’ ich drob auch nicht;
Die Lieb’ ist käuflich, wenn sie nicht verschweigen
Der Eigner kann, und überall bespricht.
5 Jung war mein Lieben und in Frühlingszeit,
Als ich’s in meinen...

Sonett CIII. William Shakespeare 1840 German

Wie ärmlich ist’s, was meine Muse schafft,
Der solch ein Stoff ward, ihre Macht zu weisen!
Der nackte Inhalt hat allein mehr Kraft,
Als wenn ich ihn geschmückt mit meinem Preisen.
5 O, darum tadle du nicht mehr mein Schweigen,
Sieh’ in den Spiegel und erblicke...

Sonett CIV. William Shakespeare 1840 German

Mir, schöner Freund, kannst nie du werden alt,
Denn wie du warst, da ich zuerst dich fand,
Ist deine Schönheit noch. Drei Winter kalt,
Drei Sommern haben sie den Schmuck entwandt;
5 Drei schöne Lenze haben sich gekehrt,
Im gelben Herbst allmälig zu verblüh’n;...

Sonett CIX. William Shakespeare 1840 German

O sage nicht, mein Herz sei wandelbar,
Wenn Trennung meine Gluth zurückedrängt!
Wohl eher ließ mein Leben ich fürwahr,
Als meine Seele, die dein Herz umfängt.
5 Das ist der Liebe Heimath, und mich führt,
Dem Wandrer gleich, die lange Fahrt zurück;
Zu...

Sonett CL. William Shakespeare 1840 German

Von welcher Macht empfingst du die Gewalt,
Daß du mein Herz beherrschest, selbst so schwach?
Daß oft mein treues Aug’ ich Lügner schalt,
Und schwur, nicht schmücke Lichtes Glanz den Tag?
5 Woher ward deiner Schlechtigkeit die Gunst,
Daß selbst in deiner...

Sonett CLI. William Shakespeare 1840 German

Lieb’ ist zu jung, zu kennen das Gewissen,
Doch wer weiß nicht, daß es es entsteht aus ihr?
Drum, Holde, laß mich deinen Vorwurf missen,
Sonst bist du, Liebchen, selber Schuld an mir.
5 Denn wenn du mich verführst, verführ’ auch ich
Den edlern Theil von mir zum...

Sonett CLII. William Shakespeare 1840 German

Du weißt, daß meine Lieb’ ich dir gebrochen,
Doch ist zwiefacher Meineid deine Schuld,
Da deine That der Treue Hohn gesprochen,
Und neuen Haß du trugst nach neuer Huld.
5 Was schadt’s, daß zweimal du mich hast betrogen,
Da zwanzigmal ich’s that? Falsch war mein...

Sonett CLIII. William Shakespeare 1840 German

Cupido einst den Brand zur Seite schlief;
Dianens Mädchen fand ihn glücklich dort,
Und tauchte seine Liebesfackel tief
In einen kühlen Quell an jenem Ort.
5 Sogleich durchzieht die heil’ge Liebesgluth
Mit heißen Flammen ihn auf ew’ge Zeit,
Als heißes Bad...

Sonett CLIV. William Shakespeare 1840 German

Der kleine Liebesgott legt’ einst im Schlaf
Zur Seite sich den herzerglüh’nden Brand,
Als eine Schaar von Nymphen auf ihn traf,
Die ew’ge Keuschheit schwur. In ihre Hand
5 Die schönste Spröde nahm den Feuerstrahl,
Der viele treue Herzen einst entzündet;
...

Sonett CV. William Shakespeare 1840 German

Laß nicht abgöttisch meine Liebe heißen,
Noch den Geliebten nur ein leer Gedicht,
Da gleicher Weis’ mein Singen und mein Preisen
Von ihm und zu ihm stets dasselbe spricht.
5 Mein Lieb ist freundlich heut und freundlich morgen,
Und stete Treue schmückt ihn...

Sonett CVI. William Shakespeare 1840 German

Wenn in der Chronik längst verschollner Zeit
Ich dargestellt sah schöner Reden Bild,
Im alten Reim, der Schönheit Dienst geweiht,
Verblichner Frau’n und Ritter Preis enthüllt;
5 Wie holder Reiz im Liede ward verehrt
Von Hand und Fuß, von Auge, Lipp’ und Brau’n...

Sonett CVII William Shakespeare 1840 German

Nicht eigne Furcht, nicht das Prophetendichten
Der weiten Welt, die Zukunftsträume nährt,
Kann meiner treuen Liebe Bund vernichten,
Als ob mein Recht auf Frist mir nur gewährt.
5 Der bleiche Mond, er konnt’ Verfinsterung höhnen,
Der Augur...

Sonett CVIII. William Shakespeare 1840 German

Was kann mein Hirn für Zeichen noch erfinden,
Die nicht mein treues Herz dir schon beschrieb?
Was gäb’s zu sprechen neu, was zu verkünden,
Das meiner Lieb’ und deinem Lob verblieb? –
5 Nichts, süßer Knabe! Wie ein fromm Gebet
Muß täglich ich dieselben Worte...

Sonett CX. William Shakespeare 1840 German

Ach, wahr ist’s! unstät schweift’ ich her und hin
Und zeigte narrenscheckig mich dem Blick,
Bot Theures feil, befleckt’ den eignen Sinn,
Rief alte Schmach mit neuem Trieb zurück.
5 Wohl habe fremd und scheel ich angeseh’n
Das Wahre; doch ich schwör’s beim...

Sonett CXI. William Shakespeare 1840 German

Wohl magst du meinem Mißgeschicke grollen,
Der Göttin, die verschuldet meinen Fall,
Zum Leben wollt’ sie mir nichts Beßres zollen,
Als feile Kunst mit feiler Sitten Wahl.
5 So trägt mein Name der Beschimpfung Brand,
So zeigt erniedrigt tief mein ganzes Leben...