Sonett LXXXV. |
William Shakespeare |
1840 |
German |
Bescheiden meine stille Muse schweigt,
Wenn reiche Schrift mit goldner Feder Zeilen
Den ganzen Stolz uns deines Ruhmes zeigt,
Mit Sylben, glatt von aller Musen Feilen.
5 Nur fühlen kann ich, während schöne Worte
Die Andern schreiben; fromm ein Amen muß ... |
Sonett LXXXVI. |
William Shakespeare |
1840 |
German |
War’s seines Verses stolzes Segel, fliegend
Geblähet deinem theuern Preise zu,
Das reifes Lied mir hielt im Hirn versiegend,
Dem ungebornen Sang lieh Grabes Ruh’?
5 Ist es sein Geist, von Geisterhand geleitet
Zur Sternenhöhe, der die Kraft mir bricht? ... |
Sonett LXXXVII. |
William Shakespeare |
1840 |
German |
Leb’ wohl, du bist zu hold, mir zu gehören!
Nur gar zu bald wirst du dich selbst erkennen,
Das Vorrecht deines Werths wird dich belehren,
Daß Pflichten gegen mich nicht dauern können.
5 Wie halt’ ich dich, fügt sich nicht selbst dein Wille?
Wie könnt’ ich... |
Sonett LXXXVIII. |
William Shakespeare |
1840 |
German |
Wenn es dein Wille ist, mich zu verschmäh’n,
Mit Hohnes Auge mein Verdienst zu messen,
Dann werd’ ich kämpfend dir zur Seite steh’n,
Vertheid’gen deinen Schwur, den du vergessen.
5 Am besten meiner Schwächen mir bewußt,
Zu deinen Gunsten will ich dir enthüllen... |
Sonett Nach Petrarka |
Stefan George |
1918 |
German |
Es hob mich der gedanke in ihre kreise Zu ihr nach der hier vergeblich geht mein streben Dort sah ich sie im dritten himmel schweben .. Schön war sie wie nie doch in minder stolzer weise. Sie fasste mich bei der hand und sagte... |
Sonett V. |
William Shakespeare |
1840 |
German |
Die Stunden, die mit holder Kunst das Bild
Gezaubert, das gern aller Augen seh’n,
Die werden, von Tyrannenhaß erfüllt,
Dem selbst die Schönheit rauben, was so schön.
5 Denn rastlos führt den Sommer fort die Zeit
Zum bösen Winter, und verdirbt ihn dort. ... |
Sonett VI. |
William Shakespeare |
1840 |
German |
Drum nehme ja nicht rauher Winter Platz
In deinem Sommer, eh’ solch Glas dich hält;
Verleihe Einem deinen süßen Schatz
Der Schönheit, eh’ dem Selbstmord sie verfällt.
5 Solch ein Gebrauch niemals als Wucher gilt,
Der die beglückt, die gern ihn machen seh’n,... |
Sonett VII. |
William Shakespeare |
1840 |
German |
Sieh’, wenn das Licht im Osten hebt so mild
Sein Flammenhaupt, gern niedre Augen weihn
Verehrung seinem neuen Zauberbild,
Mit Blicken dienend seinem heil’gen Schein.
5 Und wenn’s erstiegen hat des Himmels Höh’n,
Dem Jüngling gleich von kühner Heldenart, ... |
Sonett VIII. |
William Shakespeare |
1840 |
German |
Musik zu hören! Warum macht’s dich traurig?
Sanft kriegt mit sanft nicht, Lust an Lust sich hält.
Warum liebst du, was dich ergreift so schaurig?
Warum suchst du das, was dir nicht gefällt?
5 Wenn holde Tön’, im Einklang sanft und rein
Zum Lied vermählt,... |
Sonett X. |
William Shakespeare |
1840 |
German |
O leugne, daß du Liebe fühlst für Einen,
Da für dich selbst du ohne Sorgfalt bist;
Dich liebte Mancher, wollt’ es dir nur scheinen;
Doch daß du Keinen liebst, zu deutlich ist.
5 Denn so bist du von blut’gem Haß erfüllt,
Daß gegen dich Verschwörung du gehst ein... |
Sonett XC. |
William Shakespeare |
1840 |
German |
So hasse mich – mir gleich, wenn du gewillt,
So lang’ die Welt noch meine Thaten schändet,
Daß meines Unglücks Maß, durch dich gefüllt,
Des Schicksals Groll nicht spät an mir verschwendet.
5 Ach! wenn mein Herz entronnen ist den Sorgen,
Nicht zeig’ im Nachtrab... |
Sonett XCI. |
William Shakespeare |
1840 |
German |
Der prahlt mit Ahnen, der mit seinem Geld,
Mit Wissen dieser, der mit Leibeskraft;
Mit Kleidern, wie auch Mode sie entstellt,
Mit Ruhm, den Falke, Hund und Roß verschafft;
5 Und jede Laune hegt die eigne Lust,
Die Freude vor den Andern ihr verleiht;
Doch... |
Sonett XCII. |
William Shakespeare |
1840 |
German |
Und thust dein Schlimmstes du, mir zu entweichen
Für Lebenszeit, doch nenn’ ich ganz dich mein;
Mein Leben muß mit deiner Lieb’ erbleichen,
Denn Nahrung giebt ihm deine Lieb’ allein.
5 Nicht fürcht’ ich drum, mag droh’n mir auch Unheil,
Da das geringste schon... |
Sonett XCIII. |
William Shakespeare |
1840 |
German |
So werd’ ich leben, wähnend dich mir treu,
Wie ein betrogner Gatte; deiner Liebe
Antlitz vertrau’n, wenn dies stets wechselt neu;
Dein Blick bei mir, dein Herz bei Andern bliebe.
5 In deinem Auge ist für Groll nicht Raum,
Nicht kündet es dein unbeständig Wesen... |
Sonett XCIV. |
William Shakespeare |
1840 |
German |
Wer machtbegabt einschränkend sich bescheidet,
Wer zeiget nicht, was reich ihm ist verlieh’n;
Wer felsenfest, wenn Andre leicht er leitet,
Wer der Versuchung trotzt mit starrem Sinn;
5 Des Himmels Gunst ist lohnend dem geneigt,
Der mit des Himmels Gütern... |
Sonett XCIX. |
William Shakespeare |
1840 |
German |
Das frühe Veilchen ward drum so bedroht: –
Wo hast du, holder Dieb, den Duft genommen,
Als aus des Liebsten Hauch? Das Purpurroth,
Was deine zarte Wange hat bekommen,
5 Tauchst du in Farben, die sein Blut dir bot,
Um deine Hand schalt ich die Lilienblüthen,... |
Sonett XCV. |
William Shakespeare |
1840 |
German |
Wie anmuthig machst du die Schande nicht,
Die gleich dem Wurm in duftbeseelter Rose
Die Schönheitsknospe deines Namens bricht!
Und birgst die Sünd’ in lieblichem Gekose!
5 Die Zunge, die von deinem Thun erzählt
Und üpp’ge Deutung deinen Scherzen leihet, ... |
Sonett XCVI. |
William Shakespeare |
1840 |
German |
Für Fehler Mancher deine Jugend hält,
Und Mancher nennt die Jugend deinen Ruhm;
Da Ruhm und Fehler liebt die ganze Welt,
So machst du deinen Fehler dir zum Ruhm.
5 So wie an einer Kön’gin hoher Hand
Wird angestaunt das schlechteste Juwel,
So diese Fehler... |
Sonett XCVII. |
William Shakespeare |
1840 |
German |
O gleich dem Winter war Abwesenheit
Von dir, des flieh’nden Jahres süßer Luft!
Was für ein Frost! Wie dunke Tageszeit,
Als läg’ ich an Decembers kalter Brust!
5 Und doch war Sommertag mir diese Frist,
Ein reicher Herbst, der volle Garben bot,
Und viel... |
Sonett XCVIII. |
William Shakespeare |
1840 |
German |
Fern war ich von dir in der Frühlingszeit,
Wann bunter Mai in seiner stolzen Pracht
Jeglichem Dinge frischen Reiz verleiht,
Daß selbst Saturn, der alte, mit ihm lacht.
5 Doch Vogelsang und Blumen, schön erblüht
In bunten Farben auf der grünen Flur, ... |