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Sonett III. William Shakespeare 1840 German

Sieh’ in den Spiegel, sag’ dem Antlitz dann:
Zeit ist’s, daß es ein Ebenbild erhält;
Daß, wenn es neues Leben nicht gewann,
Du um die Mutter nicht betrügst die Welt.
5 Denn wo ist, deren Leib noch ungepflügt
Der Gattenliebe Anbau je verschmäht?
Und wo...

Sonett IV. William Shakespeare 1840 German

Warum, o Anmuth, willst für dich du nur
Der Schönheit hold Vermächtniß so verschwenden?
Denn Alles leiht und nichts schenkt die Natur,
Doch frei ist, dem sie leihet ihre Spenden.
5 Warum mißbrauchst du, schöner Geizhals, doch
Die güt’ge Fülle, die dir ist...

Sonett IX. William Shakespeare 1840 German

Ist’s Furcht, daß Wittwenaugen um dich leiden,
Wenn grausam dich die Einsamkeit behält? –
O solltest kinderlos du leider scheiden,
Beklagt dich, ein verwittwet Weib, die Welt.
5 Sie wird als deine Wittwe stets beweinen,
Daß du nicht ließt ein Bild von dir...

Sonett L. William Shakespeare 1840 German

Nur zögernd zieh’ ich fort mit trägem Gange,
Da, was ich such’ – der müden Reise Ziel –
Mir zeiget, wie dem End’ ich näh’r gelange,
Daß zwischen Freund und mir der Meilen viel.
5 Das Thier, das fort mich trägt und meinen Schmerz,
Es schreitet matt, als fühlt’s...

Sonett LI. William Shakespeare 1840 German

So kann die Lieb’ verzeih’n gemaches Weilen,
Des trägen Pferdes, wenn von dir ich zieh’;
Wie sollte Trennung ich von dir beeilen? –
Bis heim ich kehr’, ist Hast verlorne Müh’.
5 Doch wird mein armes Thier Entschuld’gung finden,
Wenn träg’ erschiene mir der...

Sonett LII. William Shakespeare 1840 German

Dem Reichen gleich’ ich, der mit Schlüssels Kraft
Des theuern Schatzes Truhe sich erschließet,
Doch nicht durch viel Beschauen sie erschlafft,
Die Lust, die seltner er, so mehr genießet.
5 Drum herrlich ist ersehnten Festes Feier,
Die spärlich trifft des langen...

Sonett LIII. William Shakespeare 1840 German

Was ist dein Sein? aus welchem Stoff bereitet,
Daß gern sich dir Millionen Schatten weih’n?
Von einem Schatten Jeder ist begleitet,
Nur einzig du kannst Jedem Schatten leih’n.
5 Adonis mal’, und das Gebilde spendet
Ein ärmlich Gleichniß deines Wesens nur;...

Sonett LIV. William Shakespeare 1840 German

O, wie vielmehr erscheint die Schönheit schön,
Wenn süßen Schmuck die Treue ihr gegeben!
Die Ros’ ist schön, doch ihren Rang erhöh’n
Die süßen Düfte, welche in ihr leben.
5 Die Hageros’ hat gleichen Farbenglanz
Und gleicher Röthe Gluth wie duft’ge Rosen,...

Sonett LIX. William Shakespeare 1840 German

Wenn Alles war, was ist, wenn Nichts auf Erden
Neu – arg wird dann des Menschen Hirn bethört,
Das, rastlos grübelnd über neues Werden,
Ein altes Kind zum zweiten Mal gebärt.
5 O daß zurück Geschichte könnte reichen
Fünfhundert Sonnenläuf’! – ich möchte seh’n...

Sonett LV. William Shakespeare 1840 German

Kein goldnes Ehrenmal, kein Marmorstein
Der Fürsten überlebt dies mächt’ge Lied.
Du strahlst in seinem Vers mit hellerm Schein,
Als jener Stein, den alter Staub umzieht.
5 Die Säule stürzt des Krieges wilde Wuth,
Des Maurers Werk zerstört des Aufruhrs Drang;...

Sonett LVI. William Shakespeare 1840 German

Erstark’, o Liebe! möge man nicht sagen,
Daß stumpfer dein Begehr als Eßlust sei,
Die schmausend heut’ sich sättigt mit Behagen,
Gekräftigt morgen zum Genuss’ auf’s Neu’.
5 So Liebe du, wenn heute auch du füllst
Dein hungernd Aug’, bis übersatt es winket,...

Sonett LVII. William Shakespeare 1840 German

Dein Sklave bin ich, sollt’ ich Andres streben,
Als willig stets vollziehen dein Begehr?
Kostbare Zeit nicht hab’ ich zu vergeben,
Noch Dienste, da allein ich dir gehör’!
5 Nicht darf ich schmäh’n die langen Marterstunden,
Die ich, mein Herr, so oft für dich...

Sonett LVIII. William Shakespeare 1840 German

Verhüte Gott, daß ich, dein Sklave, wollte
Sie zählen, deiner Lust geweihte Stunden,
Daß ich die Zeit dir je berechnen sollte,
Die als Vasall mich deinem Dienst verbunden.
5 O laß mich tragen, so es dir gefällt,
Entfernung von dir, dem Gefangnen gleich;
...

Sonett LX. William Shakespeare 1840 German

Wie Wellen hin zum kies’gen Ufer rauschen,
So eilen unsre Tage rasch zum Ziel;
Im Wechsel müssen sie die Stellen tauschen,
Sie dringen vorwärts stets in bunt Gewühl.
5 Wenn die Geburt begrüßt des Lebens Licht,
Zur Reife kriecht sie dann, die, kaum gewährt,...

Sonett LXI. William Shakespeare 1840 German

Gebeutst du deinem Bild, wach zu erhalten
Mein müdes Auge in der dunkeln Nacht?
Ist es dein Wille, daß in Traumgestalten
Dein Antlitz neckend mir entgegenlacht?
5 Ist es dein Geist, den du von dir entsandt
Von ferne her, mein Treiben zu erspäh’n?
Hat...

Sonett LXII. William Shakespeare 1840 German

Der Selbstsucht Sünde hält mein Aug’ umfangen,
Beherrschet meinen Geist, mein ganzes Sein,
Nicht Gegenmittel weiß ich zu erlangen,
Da tief die Sünd’ im Herzen wurzelt ein.
5 Kein Antlitz dünkt so hold mich als das meine,
Kein Wesen zeiget so der Wahrheit Zier;...

Sonett LXIII. William Shakespeare 1840 German

Wenn meinen Theuren einst, wie mir geschieht,
Der Zeit Unbill zerstörend wird erfassen,
Sein Blut aussaugt und seine Stirn durchzieht
Mit schnöden Furchen; wenn einst wird erblassen
5 Sein Jugendmorgen unter Altersmüh’n;
Wenn Reize, denen er, ein Fürst,...

Sonett LXIV. August Graf von Platen 1826 German

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 LXIV.

Wer wüßte je das Leben recht zu fassen,
     Wer hat die Hälfte nicht davon verloren
     Im Traum, im...

Sonett LXIV. William Shakespeare 1840 German

Wenn durch der Zeiten grimme Hand entstellt,
Ich seh’ Jahrhunderts stolze Pracht im Staube,
Der Zinne mächt’ge Wucht zur Erd’ gefällt,
Und ew’ges Erz der Menschenwuth zum Raube;
5 Gewahr’ des gier’gen Oceans Gewinn,
Den er des Ufers Königreich entrungen;...

Sonett LXIX. William Shakespeare 1840 German

Was Aeußres kann die Menge von dir seh’n,
Kein Witz wird je zu bessern dran wohl finden;
Beseelt muß aller Mund dies eingesteh’n,
Dein Feind selbst wird als wahr dein Lob verkünden.
5 So krönet Aeußres dich mit äußrem Preis;
Doch diese Zeugen, die dein Recht...