Wiegenlied

Wie sich der Aeuglein
Kindlicher Himmel,
Schlummerbelastet,
Lässig verschließt! —
Schließe sie einst so,
Lockt dich die Erde:
Drinnen ist Himmel,
Außen ist Lust!

Wie dir so schlafroth
Glühet die Wange:
Rosen aus Eden
Hauchten sie an:
Rosen die Wangen,
Himmel die Augen,
Heiterer Morgen,
Himmlischer Tag!

Wie des Gelockes
Goldige Wallung
Kühlet der Schläfe
Glühenden Saum.
Schön ist das Goldhaar,
Schöner der Kranz drauf:
Träum' du vom Lorbeer,
Bis er dir blüht.

Liebliches Mündchen,
Engel umwehn dich:
Drinnen die Unschuld,
Drinnen die Lieb';
Wahre sie Kindchen,
Wahre sie treulich:
Lippen sind Rosen,
Lippen sind Glut.

Wie dir ein Engel
Faltet die Händchen;
Falte sie einst so:
Gehst du zur Ruh;
Schön sind die Träume,
Wenn man gebetet:
Und das Erwachen
Lohnt mit dem Traum.

Aus: Johann Gabriel Seidl's Dichtungen Erster Theil
Balladen, Romanzen, Sagen und Lieder
Wien Druck und Verlag von J. P. Sollinger 1826

Collection: 
1826

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Im Mai 1823

Mein Herz ist froh, mein Aug ist licht
Und Wen'ge sind mir gleich;
Drum ruf ich's laut, und rief ich's nicht:
Mein Aug verrieth' es euch.
Und daß ich sing' von meiner Lust,
Das hat der Lenz gethan:...

Ich wall' im klaren Sonnenscheine:
Mein süßes Liebchen wallt vor mir;
Am Boden malt mit scharfen Raine
Der Schatten sich von mir und ihr.

Und vor zu ihren Bilde reichet
Mein Schatten, sich verlängernd, hin:
Sie...

Der Abend sinkt hernieder,
Die Sternlein ziehn herauf;
Und Nachtigallenlieder
Begleiten ihren Lauf.
Da tritt, die Welt im Busen,
Aus engem, dumpfen Haus,
In's Heiligthum der Musen
Der Troubadour hinaus....

Wie sich der Aeuglein
Kindlicher Himmel,
Schlummerbelastet,
Lässig verschließt! —
Schließe sie einst so,
Lockt dich die Erde:
Drinnen ist Himmel,
Außen ist Lust!

Wie dir so schlafroth...

Wohl weilst du in der Ferne,
Doch nimmer fern für mich,
Kein Heil'ger denkt so gerne
An Gott, als ich an dich.

Vom Monde sag' ich nimmer:
Er walte sanft und mild;
Ich sage nur: sein Schimmer
Sei deiner...