Wohl weilst du in der Ferne,
Doch nimmer fern für mich,
Kein Heil'ger denkt so gerne
An Gott, als ich an dich.
Vom Monde sag' ich nimmer:
Er walte sanft und mild;
Ich sage nur: sein Schimmer
Sei deiner Seele Bild.
Nie sag' ich mehr: die Frühe
Gleich' einem Feuerfluß;
Ich sage nur: sie glühe,
Wie du beim Scheidekuß.
Für Alles, was ich kenne,
Leihst du die Seele mir;
Für Alles, was ich nenne,
Nehm' ich das Wort von dir.
So nenn, ich denn, — ich Schwärmer!
Nur Liebchen-rein den Quell,
Und fühl' die Sonne warmer,
Nenn ich sie Liebchen-hell.
Das Alles thut die Trennung
Und das Geschiedenseyn;
Da stellt sich die Bekennung
Erst ohne Rückhalt' ein.
Sonst dacht' ich dein nur immer,
Wenn ich dich eben sah:
Dich sehn kann ich nun nimmer,
Und bin dir ewig nah.
Aus: Johann Gabriel Seidl's Dichtungen Erster Theil
Balladen, Romanzen, Sagen und Lieder
Wien Druck und Verlag von J. P. Sollinger 1826