VIII.

VIII.

Dem Entfernten

"Ach, laß uns lernen, was die irdische Liebe sein soll -
Etwas so Reines wie das Licht, so Friedliches
wie die Unsterblichkeit, wachend über der stürmischen Welt,
die sie überdauern soll, und hoch über den darunter
hinstreichenden Wolken und Nebeln.
Laß kleine Seelen in das heiligste Gefühl alle Unruhe
und Bitterkeit des gemeinen Lebens hineinbringen!
aber uns laß lieben als Wesen, die dereinst Bewohner
der Sterne seyn werden!" - Bulwer

Wo weilest du? - Und hältst mich noch gebunden,
Wie schnell dich auch entführt der Rosse Huf? -
So haben denn die allzuflücht'gen Stunden
Noch nicht verweht den letzten Abschieds-Ruf,

Der leise und gepreßt der Lipp' entglitten,
Als sich das "Müssen" zwischen uns gestellt,
Und achtungslos den Knoten rasch zerschnitten,
Der uns entbehrlich machte eine Welt?

Ich weiß es nicht, wo jetzo du verweilest,
Doch dieß weiß ich, daß du an mich gedenkest,
Wie weit du auch, gezwungen nur, enteilest,
Die schönsten der Erinn'rungen mir schenkest.

Und weil ich dieses weiß, so will ich pflegen
Die Geistesblüthen, die dir so gefallen,
Und will für dich allein zurück sie legen,
Daß keine du vermissest einst von Allen.

Und bis du wiederkehrest, will ich klagen,
Und Worte geben einem herben Schmerz,
Denn nicht in stiller Fassung zu ertragen
Sich zwingen läßt mein so verwöhntes Herz.

Mit dir ist ja das Zauberland entschwunden,
Das mir erblühte unter deinem Fuß -
In wüster Öde hab' ich mich gefunden,
Und folgenlos verhallt mein Liebesgruß!

Denn wenn auch deine Hand das, was gewesen,
Und was noch jetzt ist - alles wiederholet,
Wenn sich auch, hab' das Theure ich gelesen,
Die Seele schnell von jedem Gram erholet,

So schwindet doch gar bald dies süße Trösten
Und bange Zweifel treten an die Stelle,
Die früher schwer sich von der Seele lösten.
Der Glücklichste - er fürchtet Wechselfälle.

Es lag einst unwillkürlich in den Zügen
Dir alles das, was du für mich gefühlt;
Ich durfte nicht erbangen, mich zu trügen,
Du hättest ein zu hohes Spiel gespielt!

Du wolltest deine Liebe mir verkünden,
Und so, wie du empfandest, gabst du dich -
So muß ich denn mich enge dir verbünden,
Dein Wesen nur hat einzig Reiz für mich!

Darum enteilt mein Geist zur weiten Ferne
Und suchet dort sich dein so liebes Bild! -
Ich denke diese Züge mir so gerne:
Denn Liebesblick, so glühend und so mild,

Das bedeutungsvolle sprechende Verstummen,
Das mehr noch, als das Wort der Liebe war,
- O niemals läßt sich diese je vermummen,
Durch Alles wird ihr Zauber offenbar!

Doch nicht nur offen - bleibend muß er werden!
Wenn auch, was man mit ernstem Sinn erwählte,
Die Stürme dieses Lebens einst verheerten,
So ist's dasselbe doch, was uns beseelte.

Und dieses kann zu ew'gem Glück genügen,
Kann uns erheben über Schmerz und Trennung -
In unsrer Geister gleichen raschen Flügen
Wird ja uns Beiden sichre Anerkennung!

Und wenn ich sinnend also dies bedenke,
Empfinde ich des Friedens holdes Nah'n,
Und nehme zu dem theueren Geschenke
Der Freundschaft, schüchtern das der Liebe an.

Mir dies zu denken, ist mir ja geblieben -
Geblieben ist, zu leben nur in dir -
Zu zählen dich zu meinen liebsten Lieben,
Ob du entfernet bleibest, oder hier! -

Collection: 
1843

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  • VII.

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