VI.
Seinem Bilde
Niemals hab' ich mich so sehr gesehnet,
Mich in deine Augen zu versenken
Als wie jetzt, wo es doch Thorheit wäre,
An ein trautes Wiederseh'n zu denken;
Jetzt, wo ich die Hoffnung aufgegeben,
Muß dein Bild für mich, statt deiner leben.
Niemals hat es mich so sehr gedränget
In dein liebes Angesicht zu schauen,
Denn die Gegenwart durft' ich nicht zählen
Und der Zukunft wollte ich vertrauen -
Jetzt, wo nur Vergangenheit geblieben,
Sprich! muß ich dein Bild nicht doppelt lieben?
Denn die Hälfte habe ich verloren
Von dem Himmel, den ich mir erwählet,
Habe ich doch meinen liebsten Freuden
Eine schön're Zukunft zugezählet!
Niemals konnte Gegenwart dies bieten -
Die Erinnerung blieb d'rum vermieden.
Aber jetzt, wo in vergang'nen Zeiten
Meine Seele ihre Nahrung findet,
Weil der trügerische Schein der Hoffnung
Langsam weichet - immermehr entschwindet -
Jetzt ist mir dein Bild der Stern, der helle,
Den ich hin an meinen Himmel stelle.
Jetzt ist es dein Bild, um welches Liebe,
Gram und Tröstung sich geduldig reihen,
Welchem sich des feuchten Auges Blicke
Und die bangen Herzensschläge weihen, -
Deinem todten Bilde will ich geben,
Was beglücken könnte manches Leben!