• [286] Die Nachtigall von Werawag.

    I.

    Vom Schwarzwald wie ein Silberstreifen,
    Die blauen Donauwellen eilen –
    Fast lockt’s, die Blumen selbst zu greifen,
    Die doch am andern Ufer weilen,...

  •      „Im Anfang war die Nachtigall
    Und sang das Wort: Züküht! Züküht!
    Und wie sie sang, sproß überall
    Grüngras, Violen, Apfelblüth.

    5      „Sie biß sich in die Brust, da floß
    Ihr rothes Blut, und aus dem Blut
    Ein schöner Rosenbaum entsproß;
    Dem singt sie ihre Liebesgluth.

         „Uns Vögel all in diesem Wald
    10 Versöhnt das Blut...

  • O könnte doch die Nachtigall
    Dir meine Grüße bringen,
    Der holden Stimme süßer Schall
    Der dürfte wol allüberall
    Zu Deinem Herzen dringen.

    Und wär' der Rose nur ein Mund
    Geschenkt für Liebesklagen -
    Dir würde, was ich fühle, kund,
    Aus Garten, Berg und Thalesgrund
    ...

  • Wir gingen durch den Frühlingshain
    In wonnevollem Schweigen;
    Thautropfen hingen, demantrein,
    An Blumen und an Zweigen.

    Der Flieder strömte Balsamhauch
    In leichtbewegte Lüfte,
    Es wogt' und wankte Baum und Strauch
    Voll Blüthen und voll Düfte.

    Wir standen an des Hügels...

  • Geliebte, sieh,
    die Sonne ließ allein uns wach zurück,
    nun kommt zu uns
    mit silberhellem Flügelschlag das Glück.

    O höre doch,
    wie sanft und süß von fernher ein Gesang
    uns innerst stärkt,
    vom Monde her ein wundervoller Klang.

    O dies Gefühl,
    das wie ein...

  • Begeistre mich, o Freundin Philomele,
    Durch deiner Lieder tief gefühlten Klang!
    Durch deine Seufzer! Stimm' auch meine Seele
    Zu wehmuthsvoller Zärtlichkeit Gesang!

    Schon floh der Mai, der Schöpfer süsser Lieder;
    Doch scharf und kalt war seines Odems Hauch,
    Die Blüthe sank vom Sturm entblättert nieder,...

  • 1778

    Wie leuchtet milde, blaß und schön,
    Die Abendsonne! Sieh, wie wehn
    Die Blüthen, röthlich, weiß und bunt,
    Und überschnei'n den Gartengrund!

    Wie schwimmt die kühl'ge Abendluft
    In Mai- und Nachtviolenduft!
    Wie...

  • Horch! Im sanften Frühlingswehn
    Singt im Busch die Nachtigall,
    Singt mit wundersüßem Schall,
    Und ich kann sie wohl verstehn.

    Warum glaubt ihr - flötet sie -
    Daß in stiller Dämmerzeit,
    All' mein Sang voll Melodie
    Nur dem Leid, dem Schmerz geweiht?

    Ist nicht unbegrenzt...

  • Komm, Nachtigall, schwing dich hernieder
    Zum Garten im blühenden Hag,
    Komm, liebliche Sängerin, wieder,
    Sing' deine melodischen Lieder
    Hinüber dem scheidenden Tag.

    Noch schweigst du, was willst du verschweigen?
    Die Fülle so sehnlicher Qual?
    So lange nicht willst du dich zeigen,
    ...

  • Und wieder singt die Nachtigall
    Ihr allerschönstes Lied der Nacht,
    Und wieder sind die Sterne all'
    Wie meine Sehnsucht aufgewacht.

    Ich streife still durch Busch und Strauch.
    Allein! - so ist mir wohl fürwahr!
    Der Abendwind mit lauem Hauch
    Streut Blüthen mir auf Bart und Haar.
    ...