I.
Vom Schwarzwald wie ein Silberstreifen,
Die blauen Donauwellen eilen –
Fast lockt’s, die Blumen selbst zu greifen,
Die doch am andern Ufer weilen,
So ruhig wogt sie hin, so schmal,
Durch Wald und Fels im engen Thal.
Dort wo auf hohen Bergesrücken
Viel alte Burgruinen stehen,
Zum Schrecken bald, bald im Beglücken
Zum jungen Strom herniedersehen,
Da hört ich einst im Blüthenhag
Die Nachtigall von Werawag.
Die steile Höhe war erklommen,
Zum Abgrund schaut ich schwindelnd nieder,
Da hab’ in Tönen ich vernommen
Das Echo alter Minnelieder
Die einstens sang zum Harfenschlag
Herr Hug und Ott von Werawag,
Das waren edle Minnesänger,
Die einst auf dieser Burg geboren,
Das Saitenspiel, je mehr, je länger,
Statt rauhen Waffendienst erkoren,
Erst leis’ dann lauter sang danach,
Die Nachtigall von Werawag.
Ein Mägdlein, eine stolze Schöne,
Dem adligem Geschlecht entsprossen,
Sie hörte früh der Harfen Töne,
Die Harfner waren ihr Genossen,
Als Ahnen standen sie ihr nah.
Wars’ da ein Wunder, was geschah?
Lütgarde diente selbst dem Sange
Der Minne, den sie früh vernommen,
Gehorchend einem süßen Drange,
Der machtvoll in ihr Herz gekommen,
So hieß sie denn seit diesem Tag:
Die Nachtigall von Werawag.
Du Mädchenherz aus alten Zeiten,
Dein Lob um Minnesang und Minne
Will Dir ein ander Weib bereiten!
Denn es kommt nicht aus meinem Sinne,
Was mir von Dir die Donau sprach,
Du Nachtigall von Werawag!
II.
Einst hörte in der Burg Kemnaten
Lütgarde, da es draußen stürmte,
Die Mutter mit dem Vogt beraten,
Wie man zwei fremde Reiter schirmte,
Die wohl verirrt, als sank der Tag,
Einlaß begehrt, auf Werawag.
Kaum nennt der Aeltere der beiden,
Den jüngeren: Rudolf, den Sänger,
Da tönten bald der Harfen Saiten.
Mit süßen Klängen, eng und enger
Umwob in Tönen Zauberbann
Die Jungfrau und den fremden Mann –
Da er geschieden, ging die Märe:
Es sei der Kaiser selbst gewesen,
Der hier verirrt von ungefähre
Solch stillen Aufenthalt erlesen.
Doch bald verkündet ward mit Hohn:
Der Fremde war ein Bürgerssohn.
Mit Lächeln hörte es Lütgarde:
Wer also hold die Saiten rührte
War ihr ein gottgesandter Barde.
Ob er ein stolzes Wappen führte,
Die Krone trug –: ihr galts nicht mehr –
Dem Sänger nur gab sie die Ehr’.
Dem Sänger nur gab sie die Seele –
Sie wies zurücke jedes Werben:
Und daß sie niemals sich vermähle
Viel lieber wollt als Jungfrau sterben
Gab stets zur Antwort jeder Frag’,
Die Nachtigall von Werawag. –
Da einstens ist der Tag gekommen:
Zu Freiburgs Mauern sieht man’s wallen,
Ein herrlich Paar zieht glückumschwommen
In die geweihten hohen Hallen.
Das ist der frohe Hochzeitstag
Der Nachtigall von Werawag.
Der Bürgerssohn im Dienst der Minne,
Im Dienst des Sanges und der Seinen,
Den Bürgern all’, die im Gewinne
Ersehnter Freiheit ihm sich einen,
Dem Sänger, der die Holde freit,
Die Nachtigall, die ihm sich weiht.
Sie ließ das Raubschloß ihrer Ahnen
Mit seinem blut’gen Heldenruhme
Und wandte sich auf neuen Bahnen,
Zu des Geliebten Bürgertume,
Die Nachtigall von Werawag,
Vereint mit ihm des Sanges pflag.