[99] Noch eine Frage.
Und weisch denn selber au, du liebi Seel,
worum de dine zarte Chinde d’Freud
in so ne stachlig Bäumli1)[1] ine henksch,
Wil’s grüeni Blättli het im Winter, meinsch,...
Kannst du dem Auge gebieten: erblicke dies schön und dies häßlich? –
Wie die Gestalt dir sich zeigt, spiegelt sie drinnen sich ab.
Kannst du dem Herzen gebieten: dies liebe – dies hasse – so viel auch
Sollst du lieben – so viel hassen – nicht minder, noch mehr? –
5 Was dir als würdig erscheint, du liebst es, so viel es dir werth scheint,
Und so...
[72]
November.
Von Victor Hugo.
Ich sagte zu ihm: die Rose des Gartens
hat, wie Du weißt, kurze Dauer, und die
Rosenzeit ist sehr bald verstrichen.
Sobald der Herbst die...
Nun der Gott mir günstig nicket
Soll ich schweigen wie ein Stummer,
Ich, der, als ich unbeglücket,
So viel sang von meinem Kummer,
5 Daß mir tausend arme Jungen
Gar verzweifelt nachgedichtet,
Und das Leid, das ich besungen,
Noch viel Schlimmres angerichtet!
O, Ihr Nachtigallenchöre,
10 Die ich trage in der Seele,
Daß man...
Nun hast du das Kaufgeld, nun zögerst du doch?
Blutfinstrer Gesell, was zögerst du noch?
Schon sitze ich harrend im Kämmerlein traut,
Und Mitternacht nah’t schon, – es fehlt nur die Braut.
5 Viel schauernde Lüftchen vom Kirchhofe wehn;
Ihr Lüftchen! habt ihr mein Bräutchen gesehn?
Viel blasse Larven gestalten sich da,
Umknixen mich...
Nun ist es Zeit, daß ich mit Verstand
Mich aller Thorheit entled’ge;
Ich hab’ so lang als ein Comödiant
Mit dir gespielt die Comödie.
5 Die prächt’gen Coulissen, sie waren bemalt
Im hochromantischen Style,
Mein Rittermantel hat goldig gestrahlt,
Ich fühlte die feinsten Gefühle.
Und nun ich mich gar säuberlich
10...
[113] Nur.
Und der Abschied war kein Ende,
und mein Blick bewegte dich;
und es war, als legte sich
still dein Herz in meine Hände ...
5 Aber wenn du wiederkehrst,
will ich deine Hand nicht küssen,
will es nur...
[204] O laß nicht ohne Lebensgenuß
Dein Leben verfließen!
Und bist du sicher vor dem Schuß,
So laß sie nur schießen.
5 Fliegt dir das Glück vorbei einmal,
So fass’ es am Zipfel....
O schwöre nicht und küsse nur,
Ich glaube keinem Weiberschwur!
Dein Wort ist süß, doch süßer ist
Der Kuß, den ich dir abgeküßt;
5 Den hab’ ich, und dran glaub’ ich auch,
Das Wort ist eitel Dunst und Hauch.
* * *
O schwöre, Liebchen, immerfort,
Ich glaube dir auf’s bloße Wort!
An deinen Busen sink’ ich...
[93]
2.
O sprecht hier nicht! Was sollen Menschenworte,
Wo Tod und Leben schweigend sich vermählt?
Geweihte Herzen giebt’s und heil’ge Orte
Und eine Ruh’, die grauenhaft erzählt!