• Die Lieder der Monna Lisa


    1.
    Ich stehe oft und blicke weit ins Leere
    Und suche mich und meine Sucht zu fassen:
    Kein klares Bild läßt sich zusammenpassen,
    Wieviel ich alles hin und wider kehre.
    ...

  • 20.

    20.
    Von Tagen weiß ich, die wie blaue Flammen
    So leicht und licht ins schwere Leben wehen /
    Wie Flammen, die vom Auge kaum gesehen
    Geheimnisvollem Glutenherd entstammen.

    Die Tage sinds, die wie ein Auferstehen
    Den kühlen Geist, den träge arbeitsamen,
    In irgendeiner tiefen Lust entflammen,...

  • 21.

    21.
    Und immer wieder dieser eine Traum,
    Da fest und süß dein Mund den meinen findet,
    Und Seligkeit / entrückt von Zeit und Raum!

    Nach solcher Nacht ist dann der Tag so voll
    Wie Beere, die sich schwer dem Stiel entwindet,
    Wie Samenkapsel, die zerplatzen soll.

    Und dieses Tages...

  • 22.

    22.
    Ich liege auf dem Rücken hoch im Heu:
    Wie anders sieht sich doch der Himmel an,
    So weit und tief und auch so seltsam neu,
    Als ob ein blauer Traum ihn spann.

    Die Sonne hüllt ihr Gold in warmes Grau,
    Hoch über mir kleinweiße Wolken stehn,
    Das Abendläuten ist wie Tropfen Tau,
    ...

  • 23.

    23.
    Du anmutvolle Frau, du lieb Gesicht,
    Wie liegst du, Schöne, mir so tief im Sinn!
    Vielleicht, weil ich wie du so leicht und licht,
    Wie du so immer neu und seltsam bin.

    Hellbraunes Haar um feine breite Schläfen,
    Hellbraune Brauen, die wie Wächter stehn,
    Daß blaue Pfeile um so sichrer...

  • 24.

    24.
    Wie ist der schwere Gang der jungen Frauen
    Verheißungsvoll in seiner müden Wucht,
    Als hätte er von Reife, Qual und Frucht
    Ein seltsames Geheimnis zu vertrauen.

    Wie ihre Augen in die Ferne schauen!
    Als grüße dort weither ein Kinderblick,
    Als laste dumpf ein schmerzliches Geschick,...

  • 25.

    25.
    In meiner Kirche, wo ich täglich bete,
    Steht jedesmal, wenn zum Altar ich trete,
    An naher Säule schwer ein junger Mann
    Und sieht in Qual und voll Begehr mich an.

    Mirandola, dies weiß ich, ist sein Name,
    Er hat kein Eheweib und keine Dame,
    Der er die Gaben seiner Jugend bringt...

  • 26.

    26.
    In Santa Maria Novella
    Da steht ein heiliges Bild,
    Dem übermenschliche Gnade
    Erbarmend vom Herzen quillt.

    Nach Santa Maria Novella
    Zum Bilde gehn viele Fraun,
    Um seinem verschwiegenen Herzen
    Ihr sehnendes Leid zu vertraun.

    Denn wer in Maria Novella...

  • 27.

    27.
    Wenn ich geschloßnen Auges dieses denke:
    "Mein lieber Herr!" so ist es allemal,
    Als ob ich mich in eine Flut versenke
    Von namenloser blühend roter Qual.

    Voll roter Qual, die hoch in Wogen brandet,
    Voll roter Lust, die lauter Liebe ist /
    Aus der mein Herz in Ängsten wieder landet...

  • 28.

    28.
    Du wehrst dich gegen mich? Kannst du verwehren,
    Daß mein geschloßner Blick dich wirklich sieht,
    Und daß, je mehr dein Wille meinen flieht,
    So wilder Glut und Seele dich begehren?

    Du Erdenferner! Muß ich dich belehren,
    Wie siegreich Liebe gegen Liebe zieht,
    Daß Wunsch von ihr wie...