Max Herrmann-Neiße

  • Als mich die unbekannte Stadt
    in ihrer Nacht gefangen hielt,
    was kamst du nicht in meinen Traum?

    Mir war's, als ob dein Lächeln matt,
    totmatt mir um die Wangen spielt -
    doch kamst du nicht in meinen Traum!...

  • Laß mich die Ängste rasch zusammenraffen,
    die herbstlich welk des Herzens Weg verdecken:
    kann ich der Liebe keine Flügel schaffen,
    muß vor dem Wunder sich mein Stern verstecken.

    Es brennt der Dornbusch der Verzweiflung heller,...

  • Wenn ich nicht fühle, daß mein Werk vor dir besteht,
    wenn deines Herzens Kühle meinen Weg umweht,
    wenn alles, was ich sage, dir zuwider scheint,
    und jede Klage, die in meinen Liedern weint,
    vor dir belanglos bleibt und eine Störung mehr,...

  • Wie Du sänftigst meiner Seele Stürme,
    läßt den Abgrund meiner Nerven blühn,
    führst mein Dunkles auf die Morgen-Türme,
    wo die Wälder weit zu Gott verglühn,

    wie Du meine schwersten Wochen leidest,
    und Dich opferst für...

  • Der Liebe Lied erlöst mich nun nicht mehr:
    als läge Nebel über meinen Schritten,
    wird mir aus Tag und Abend Wiederkehr
    der ewig ungestillten Kinderbitten.

    Der Liebe Leid erhebt mich jetzt nicht mehr:
    als sei die...

  • Man muß sehr gütig zu den Frauen sein,
    denn immer sind sie es, die Nachsicht mit uns haben:
    sie dämmen ihre Sehnsüchte für uns ein,
    sie versagen sich Reichtum und Lächeln von schönen Knaben.

    Sie verschreiben sich bedingungslos...

  • Ich litt und weinte mir die Augen blind
    und bettelte: "Du! Laß mich bei Dir bleiben!" -
    Ans Fenster gegenüber kam ein Kind
    und malte seltsam Zeichen an die Scheiben.

    Im Nebenzimmer tappte jemand zag
    und hüstelte und...

  • Dein Haar hat Lieder, die ich liebe,
    und sanfte Abende am Meer -
    O glückte mir die Welt! O bliebe
    mein Tag nicht stets unselig leer!

    So kann ich nichts, als matt verlegen
    vertrösten oder wehe tun,
    und von...

  • In diesen Tagen, da ich ohne dich soll sein,
    reift soviel Zärtlichkeit und wartet dein,
    und meine Liebe leuchtet wie ein Glas voll Wein,
    das dir den Willkommtrunk kredenzen will
    und dich an meines Gartens Grenzen still
    begrüßen...

  • Wenn zwischen uns der Zweifel schleicht,
    Zerwürfnis droht, Betrübnis droht,
    daß jedes in der eignen Not
    einsames Dickicht totwund weicht;

    wenn keiner auf des andern Wort
    des Herzens Schlag mehr hören mag,...