Er hat mich wochenlang nicht angeläutet,
Zwar ist er weder Freund mir, noch mein Mann,
Weshalb er auch für mich viel mehr bedeutet,
Auf seinen Anruf kommt es wirklich an. -
Er ist der Mann, der nie Dich wird begehren,
Und dennoch weiss man, dass man ihm gefällt.
Man lebt mit ihm, weiss Gott, in allen Ehren,
Was keiner, ausser Dir, für möglich hält.
Er ist so eine Art von Seelenkrücke,
Der wicht'ge Dinge gern für uns erwägt,
Man geht beständig über eine Brücke,
Und er versichert, dass die Brücke trägt. -
Was nützen Siege uns, die wir erreichten,
Wenn niemand ist, der dem Berichte lauscht?
Massgebend ist der Mann, dem wir es beichten -
Er kritisiert, - denn er ist nicht berauscht. -
Ob ich ihn anzurufen endlich wage?
Gefährlich, nicht recht sicher scheint die Welt.
Geländerlose Treppen sind die Tage, -
Man fühlt sich grässlich auf sich selbst gestellt.
Aus: Tag- und Nachtgedichte von Lessie Sachs
Ausgewählt und eingeleitet von Heinrich Mann
New York City 1944
Printed in U.S.A. Zeidler Press (Josef Wagner)