Die Frau von heute sagt: sie hat Interessen,
Auch fühlt sie ein Bedürfnis nach dem Geist.
Ich aber sage, ehrlich und vermessen,
Auf dem Gebiet ist sie nur zugereist.
Sie sagt, sie sei sehr unterdrückt gewesen,
Und das solange, wie sie denken kann.
Ja, kann sie das? ... Es trug bisher die Spesen
Für alles Geistige sehr brav der Mann.
Heut will die Frau die Dinge selbst verwalten,
Sie sagt, sie kann das ... nun, wir werden sehn;
Sie werden mich für sehr veraltet halten, -
Ich glaube dies: der Mann nur hat Ideen.
O, nur gemach! - Sie dürfen nicht gleich schelten,
Hier sprach niemand von mindrer Qualität.
Man kann ja anders sein, und dennoch gelten;
Ich sag nur: Artverschiedenheit besteht.
Die Frau sei Frau; und dies vor allen Dingen.
Denn sie regiert ja sowieso die Welt;
Dem Manne wird sein bestes Werk gelingen,
Wenn es der Frau gilt, welche ihm gefällt.
Logos ist männlich; Frauen sind ein Segen;
Nicht immer zwar; doch schliesslich dann und wann.
Da bringen sie als heimliche Strategen
Eventuell die Welt ein Stück voran.
Aus: Tag- und Nachtgedichte von Lessie Sachs
Ausgewählt und eingeleitet von Heinrich Mann
New York City 1944
Printed in U.S.A. Zeidler Press (Josef Wagner)