Lassen wir es nun dabei bewenden

Ach, Gefährte meiner frühen Jahre,
Und auch vieler Träume, vieler Träume Ziel.
Unsre Bindung hat das Sonderbare,
Daß sie schwebend ist; halb Ernst, halb Spiel,
Teils zu wenig, und zum Teil zu viel,
Und, dass ich nicht weiss, und nie erfahre,
Ob ich Dir gefiel, ob nicht gefiel.

Sind wir nicht verloren, gleich den Sternen, ...
Ach, man lebt in unbekanntem Raum.
Während wir uns nähern und entfernen,
Rühren wir nur an der Dinge Saum.
Denn wir wissen nichts; wir wissen kaum,
Und mir scheint, daß wir es niemals lernen,
Ob wir wahrhaft leben, ob im Traum.

Lassen wir es nun dabei bewenden,
Daß man uns die Lösung vorenthält.
Wir erkennen: was man auch in Händen,
Glaubt zu halten: dass man es nicht hält.
Und, indes man wechselnd steigt und fällt,
Sind wir den gefährlichsten Geländen
Ohne Sicherung anheimgestellt.

Aus: Tag- und Nachtgedichte von Lessie Sachs
Ausgewählt und eingeleitet von Heinrich Mann
New York City 1944
Printed in U.S.A. Zeidler Press (Josef Wagner)

Collection: 
1944

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