Liebes-Brieff an eine Sängerin

Bewundere dich nicht/ du Schöne/ - - -
Daß eine frembde Hand dir was bekantes schreibet/
Und daß ich auch ein Knecht der süssen Herrschafft bin/
Die dein beliebter Mund mit lauter Hertzen treibet.
Der Stimme Lieblichkeit bezaubert meinen Geist/
Und kan ihn künstlicher/ als schwartze Kunst beschweren:
Wer deiner Anmuth nur ein zartes Ohr erweißt/
Muß vor die Freyheit auch die Sterbe-Lieder hören.
Die art'ge Stellung mehrt noch die Vollkommenheit:
Der Purpur steht dir wohl/ die Majestätschen Minen
Sind Züge deiner Pracht und auch der Würdigkeit/
Wenn dir/ wie die Natur/ das Glücke wolte dienen.
Zwar deine Schönheit rühmt kein eintz'ger öffentlich/
Und ob du/ oder nicht/ ein Engel seyst auff Erden/
Doch wisse Liebes-Gluth steigt mehrmahls unter sich/
Und selten in den Mund/ wenn Hertzen Redner werden.
Denn das Verschwiegenheit die schönste Tugend sey/
Kan niemand leicht so wohl/ als Nebenbuhler wissen:
Hier sind sie keinem nicht mit einem Worte treu/
Und tadeln öffters das/ was sie im Geiste küssen.
Drüm wehlet sich mein Hertz auch diese Redekunst/
Und dieses stumme Blat soll meine Gluth bekennen/
Die Flammen strecken sich nach deiner Gegengunst/
Ach/ Schönste! laß sie doch nicht ohne Kühlung brennen.
Ich bin von Fleisch und Blut/ und du bist wunderschön/
Dein Wesen und dein Thun besteht in Seltenheiten/
Und will mein Auge recht waß ungemeines sehn/
So ist dein Mund ein Ort von tausend Lieblichkeiten:
Ich weiß das Orpheus hier die Leyer niederlegt/
Ob er die Bäume gleich und Steine tantzend machet:
Manch Hertz ist Felsen-Art/ doch wird es leicht bewegt/
Wenn nur die Anmuht singt/ und deine Schönheit lachet.
Was halb erstorben ist/ steigt lebend wieder auff/
Und was sich sonsten regt/ erstarrt durch deine Hände:
Der Adern kaltes Blut kriegt den erhitzten Lauff/
Wenn du mir Feuer giebst/ und ich dir Blicke sende.
Ja wie vermögend ist nicht sanffter Saiten-Thon?
Er fesselt Thetis Reich/ das Schuppen Heer der Wellen/
Die Harffen klinget kaum/ so schertzt ein Delphin schon/
Und muß sich gantz verliebt in seine Netze stellen.
Es fällt die Grausamkeit der Crocodillen hin/
Music kan mit der Wuth der Elephanten streiten/
Und ist Gewalt und List nicht die Bezwingerin/
Bestehn die Stricke doch in angenehmen Saiten.
Den Thieren bleibt der Grim/ wie Tauben Gall bewust/
Cameel und Hirsche sind der Unvernunfft zu wider/
Und der vernünfftge Klang erquickt die wilde Brust:
Wie binden mich nun auch nicht deine schönen Lieder.
Ach Schönste - - - ich bin kein Unmensch nicht/
Es regt sich die Vernunfft in Augen/ Hertz und Ohren/
Indem dein süsser Mund von solcher Würckung spricht/
Dabey die Laute hat die edle Krafft verlohren.
Sirene/ dieser Zeit! du schöne Zauberin!
Wer kan Ulysses seyn bey deinen Lieblichkeiten?
Europens gröster Held wirfft Stahl und Eisen hin/
Und reines Singen kan den Fünfften Carl bestreiten.
Dort konnte diese Macht das gröste Theil der Welt
Auch vor der kleinsten Theil mit holder Reitzung bücken:
Wie solte nicht ein Knecht/ der dir zu Fusse fält/
Vor Venus gantzes Reich mit höchster Freude rücken?
Ach - - - schau dich nur einmahl selber an/
Wie Glut und Flammen dir aus schönen Augen dringen.
Und was der enge Raum der süssen Kehle kan/
Wenn du die Stimme kanst wie unsre Hertzen zwingen.
Ist deine Lieblichkeit nun unbeschreiblich schön/
So lasse sie doch auch von Gegenhuld erschallen.
Darff ein verliebter Kuß zu deinen Munde gehn/
So geht er zu den Ort von tausend Nachtigallen.
Doch Nachtigallen sind in güldner Einsamkeit/
Und lassen sich zur Lust in grünen Büschen hören:
Drüm wilst du/ daß mich auch dein süsser Mund erfreut/
So lasse mich zu dir in das Gebüsche kehren.

Collection: 
1702

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