Es hat ein Hauch des Ewigschönen
Die Seele mächtig mir erfaßt,
So preis' ich Dich in hellen Tönen,
Der Du die Kunst erschaffen hast;
Der Licht und Schatten rings ergossen,
Der Dichtung Zauber uns geweckt,
Der uns des Wohllauts Macht erschlossen,
Der Form Geheimniß aufgedeckt.
Du hast des Urwalds hehrem Schweigen
Der Dichtung Stempel aufgeprägt
Und in der Mainacht Sternenreigen
Urew'ge Poesie gelegt;
Die Dämmerstund' im Abendgolde
Mit träumerischem Reiz erfüllt,
Ja, in jedwede Blumendolde
Ein duftendes Gesicht gehüllt.
Du lässest Nordlichtfarben blinken,
Du rufst den Lenz, von Glanz umstrahlt,
Du hast um ferner Berge Zinken
Der Schleier duftigsten gemalt;
Du malst in kühnen Flammenkreisen
Der Morgenröte Lichtgewand,
Und selbst des Falters Schwingen weisen
Den Pinselstrich von Meisterhand!
Du hast in stiller Abendfeier
Musik der Sphären angefacht,
Du hast des Sturmes Riesenleier
Entfesselt zu gewalt'ger Macht;
Du hast des Meeres großer Seele
Der wilden Töne Kraft verlieh'n,
Und auch der Lerche kleine Kehle
Gestimmt zu süßen Melodie'n.
In all' das Duften, Leuchten, Klingen
Hast Du den Menschen hingestellt;
Und sollt' er nicht nach Worten ringen,
Für all die Poesie der Welt?
Und sollt' er nicht nach Farben streben,
Für all' das Schöne, ihm verlieh'n?
Und nicht in Tönen wiedergeben
Des Weltalls ew'ge Harmonie'n?
O wohl muß sich sein Herz erschließen
In Farb' und Wort, in Sang und Klang!
O wohl begeistert überfließen,
Erfüllt von sel'gem Schaffensdrang!
Wohl müssen Phantasiegebilde
Die Seele flammend ihm durchzieh'n: -
Du schufst ihn ja zu Deinem Bilde,
Zum Bilde Gottes schufst Du ihn!
O großer, unbegriff'ner Meister,
Der ewigschaffend sä't und reift,
O heilige Du selbst die Geister,
Die mächtig Schaffensdrang ergreift!
Auf daß dem Quell des Lichts entflamme
Die Glut, die ihre Brust erhellt,
Auf daß sie siegend aufwärts flamme, -
Wohl in, doch niemals von der Welt!
aus: Baltische Dichtungen
herausgegeben von Freifrau von Staël-Holstein
geb. Freiin von Nolcken Riga 1896
Verlag von L. Hoerschelmann