Wie die Sonne golden sinket!
Licht und Duft im Aetherblau!
Alles blinket! alles trinket
Abendfried' und Himmelsthau!
Oft in solch' geweihter Stunde
Zogen wir durch Wald und Ried,
Gottesstille in der Runde,
In der Brust ein neues Lied.
Abende in Licht verkläret -
Glockenklang und Spätrotschein -
Wie viel uns auch Gott gewähret,
Einer muß der Letzte sein.
Sinnend schaut mein Geist zurücke,
Sagen muß ich's staunend mir:
Tiefer als im ersten Glücke
Hängt mein Lieben heut an Dir!
Heil'ge Liebe! Kind aus Eden!
Wie uns Jahr um Jahr verstrich,
Fester stets mit tausend Fäden
Klammert' sich mein Herz an Dich!
Durch der Erde grüne Matten
Süß ach pilgert sich's zu zwei'n ...
Siehst Du fern den nächt'gen Schatten?
Einer muß der Letzte sein!
aus: Baltische Dichtungen
herausgegeben von Freifrau von Staël-Holstein
geb. Freiin von Nolcken Riga 1896
Verlag von L. Hoerschelmann