Der Liebe Rosen

Der Liebe Rosen

I.

Einst nahte mir die Liebe, und bot mir Rosen an;
Ich wollte nicht verschmähen, wie ich so oft gethan.

Da nahm ich von den Blumen, und wand sie mir zum Kranze
Die Augen fest geheftet auf ihrem Farbenglanze.

Und schöner, immer schöner sah ich sie auferblühn,
Als wollte durch die Augen in's Herz ihr Zauber ziehn.

Doch als ich nun geendet zum Kranze sie zu binden,
Wollt' ich zum höchsten Schmucke ihn in die Locken winden.

Mit tändelndem Verlangen ziert' ich mir Kleid und Haar,
Und freute mich des Scherzes, der mir so selten war.

Da kehrte sich die Liebe zu mir in ernster Weise,
Und hielt mich fest gebannet in ihrem engen Kreise:

"Nicht für die Locken hab' ich die Rosen dir geboten, -
Sie sollen sich verschlingen zum festen Liebesknoten!"

"Nicht dein Gewand zu schmücken, sind sie dir zugedacht;
Dient dir zu so Geringem die holde Zauberpracht?"

"Nicht einen Kranz zu winden dem sinnlichen Verlangen
Und in der Freude Tempel ihn jubelnd aufzuhangen,

Gab ich dir die Symbole der süßen Liebeslust -
Es darf sie nur empfangen die unentweihte Brust."

Da nahm ich, tieferbebend, die Rosen aus den Haaren,
Um sie verschämt zu bergen, wo sie so gerne waren.

Und nahe meinem Herzen ließ ich sie freundlich ruh'n,
Nicht Ursach' gab's, zu fürchten solch unschuldvolles Thun.

Doch als ich sie nun emsig an dieser Stelle pflegte,
Da war's, wie wenn ein Zauber urplötzlich mich bewegte.

Jed' mögliche Empfindung war in mir aufgegangen,
So ungehoffte Freuden - wie nie geahntes Bangen ...

Der Rosen Wurzeln rankten sich tief in's Herz hinein;
Sie sogen dort die Säfte für ihre Blumen ein,

Und holten dort die Schätze, aus dem verborgnen Schrein.
Licht, Wohlgeruch und Leben, sie dankten's ihm allein. -

II.

Als ich sie nun so üppig zu mir herangezogen,
Sah ich sie mit Entzücken an meinem Busen wogen.

Da nahte sich die Liebe, und sah die Rosen an,
Gar viele wollten mit ihr, in dem Gefolge, nah'n.

Und in Gerüchen schwelgen, mit Rosen-Reizen kosen,
- Da haben ihre Kelche sie niemals aufgeschlossen!

Doch sieh! die Liebe brach sich von diesen Rosen ab:
Erstaunend sah ich's, wie sie sie hin an And're gab!

Wie Liebe mit den Blumen gar Manchen reich bedachte, -
Doch niemals gleiche Gabe zurück mir wieder brachte.

Wie sie die Rosen pflückte - voll süßen Thaues schwer -
Doch an dem Herzen blieb mir die Stelle öd' und leer!

Ich hörte laut den Werth der Rosen sie verkünden,
Doch niemals ließ sie mich die gleich Werthvollen finden ...

Da hab' ich denn zur Liebe mich klagend hingewendet:
Hör't noch, was ich ihr sagte - dann ist mein Lied geendet!

""Willst du nur Schmerz mir bieten - und Andern nur die Lust?
Für was trag' deine Rosen ich an der treuen Brust?""

""Die Wurzeln mit den Dornen hast mir in's Herz gesenket,
Der Blume Wohlgerüche an And're nur geschenket.""

""Da kann ich wohl entbehren, so Ungunst, als die Huld;
Es blieb ja meine Seele befreit von jeder Schuld!""

""Denn, Schätze hinzugeben, um mind're zu empfangen -
Solch seltner Tausch, in Wahrheit! ist schwierig zu erlangen.

Und weißt du wohl, wie wenig ich deine Schmerzen fürchte?
Nicht will ich das verweisen, was einst mein Glück verbürgte.

Was ich in's Herz gegraben - mit Stolz will ich's erhalten -
Hab' ich's so hoch gewürdigt - will ich auch nicht erkalten.""

""Doch deine Rosen mag ich nicht ferner Andern geben,
Will ohne solche Liebe, und - ohne Kummer leben!""

Collection: 
1843

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