Zweiter Cyklus

1.
Wenn deine Liebe gestorben,
Seele, was willst du thun?
Dein Tag verlischt in den Fluthen,
Du kannst nur träumen und ruhn.

Du kannst nur ruhn und träumen,
Ins schaurige Dunkel sehn,
Und Nachts am Grabe der todten
Liebe noch Wache stehn.

2.
Begraben tief im Herzen
Hab' ich mein Liebesleid,
Und drüber wallt und brauset
Die kühle Fluth der Zeit.

Ich sang ihm ohne Ende
Viel Wiegenmelodein -
Es faltete still die Hände,
Und schlummerte friedlich ein.

Nur manchmal regt' ein Sehnen
Sich Nachts in tiefstem Traum;
Da weint' ich wohl viel' Thränen,
Und wusst' es Morgens kaum.

Was willst du nun, du bleiche,
Begrabne Liebe, von mir?
Bleib still im Schattenreiche,
Gönn Ruh' und Frieden dir!

Umsonst! - In wilden Gluthen
Flammt auf der alte Schmerz!
Umhüllt mich, feurige Fluthen,
Reißt auf, ihr Wunden! - verbluten
Lasst in dem Sturme dies Herz!

3.
Zwei Jahre sind verrauscht - ich seh' dich wieder,
Du Niegefundne, die ich doch verlor!
Wie einst, umtönen heut dich meine Lieder,
Schon regt der Schwan sein leuchtendes Gefieder,
Und haucht ein Lied zum Sternenzelt empor.

Ein trübes Lied! Ich mag es nicht verhehlen,
Dass noch mein Herz die alten Flammen nährt!
Du bleibst mein Stern - nicht konnt' ich andre wählen;
So lass mich heut der stillen Nacht erzählen,
Dass in Verzweiflung sich mein Herz verzehrt!

Dir bleib' ich stumm! Kein Vorwurf soll dich stören,
Kein Ton der Liebe, kaum ein Blick, ein Wort!
Nicht Einen Laut der Klage sollst du hören -
Die Melodie von tausend Engelchören
Umrausche deine Seele fort und fort!

Dir bleib' ich stumm, auf ewig stumm! Verschließen
Will ich mein Leid, und lächelnd vor dir stehn.
Mein Leben mag in Nacht und Sturm verfließen,
Wenn nur um dich die Rosen hell entsprießen,
Und deine Sonnen niemals untergehn!

Sei glücklich du! Nicht frag' ich, ob uns Beiden
Noch einst den Kranz der Gott der Liebe flicht?
Brich mir das Herz - ich will es ruhig leiden!
Brich mir das Herz - du kannst von dir mich scheiden,
Von meiner Liebe ewig, ewig nicht!

4.
Als ich dich verlassen, mein liebliches Lieb,
Da blühten im Garten die Rosen;
Um die duftigen, leuchtenden Blüthen trieb
Sich ein Schwarm von Libellen, den losen.
Mein Sommer war gangen, mein Frühling war weit -
Doch über das bunte Getriebe
Erschallte ein Lied voll Lust und voll Leid,
Das ewige Lied von der Liebe.

Als ich dich verlassen, da wallt' ich in Nacht,
Und weinte viel' blutige Thränen;
Viel' traurige Lieder wohl hab' ich erdacht
Voll Weh und voll Klagen und Sehnen.
Die Rose kam wieder, ihr klagt' ich mein Leid,
Dass Winter es ewig mir bliebe:
Mein Sommer ist gangen, mein Frühling ist weit,
Nie grüßt mich die Sonne der Liebe!

Nun kehr' ich zurück - es spiegeln im See,
Dem blanken, entlaubt sich die Wälder;
Zu meinen Füßen den knisternden Schnee,
Hinschreit' ich durch schlummernde Felder.
Doch tief mir im Herzen da lenzt es und mait,
Wie wenn schwellende Rosen es triebe -
O du singende, klingende Frühlingszeit,
O du wonnige Sonne der Liebe!

5.
Schwärzer steigt mit ihren Schatten
Über meinem Pfad die Nacht empor.
Freude nimmer will mein Loos verstatten,
Und ermatten
Will die Seele, seit sie dich verlor.

Ach, um neues Glück geworben
Hab' ich wohl mit heißem Sehnsuchtshauch -
Doch wie schnell ist all die Lust verdorben!
Und gestorben
Mit der Freude ist die Hoffnung auch.

Froh die Saiten möcht' ich schlagen,
Die zu lange schon gerührt der Schmerz;
Möcht' ein Jubellied gen Himmel tragen -
Doch in Klagen
Müd und todeswund erstarrt mein Herz.

Frieden such' ich mir vergebens,
Wehrst du feindlich meine Flammen ab.
Ziel und Leuchte bleibst du meines Strebens -
Meines Lebens
Krone sinkt mit ihrer Lieb' ins Grab.

So im alten Zauberkreise
Festgebannt, der stets mich neu bezwingt,
Sang ich diese schwermuthsvolle Weise,
Die sich leise
Durch die Nacht zu dir hinüber schwingt.

6.
Ach, schon wieder sinkst du nieder
Ohne Freudenglanz und Lieder,
Sturmumrauschter Wintertag!
Bleiern zogen fort die Stunden,
Die so flüchtig mir entschwunden,
Als ich, holden Frühlingskunden
Lauschend, dir im Arme lag.
Liebchen, sag, wann im Hag,
Wo dereinst ich dich gefunden,
Wohl das Veilchen blühen mag?

Wenn des hellen Stromes Wellen
Wieder frei zu Thale schwellen,
Und das Veilchen wieder blüht;
Wenn dem Lenz mit bunten Schwingen
Tausend Vöglein Lieder singen,
Und die tausend Knospen springen,
Die geweckt der laue Süd: -
O, dann sprüht im Gemüth
Neu das alte Sehnsuchtsklingen,
Bis es auf zur Flamme glüht!

Wohl bedaur' ich, dass so traurig
Lang der Winter! Kalt und schaurig
Pfeift der Sturm sein Lied dazu.
Doch es wird die Nacht der Schrecken
Enden bald, und, horch! mit kecken
Liedern wird der Lenz erwecken
Strom und Meere, Wald und Fluh'.
Geh auch du, Herz, zur Ruh' -
Glaube: Schnee und Winter decken
Schützend deinen Frühling zu!

7.
Nun der Tag vorüber,
Den ich dir geweiht,
Sitz' ich dir genüber,
Wie in alter Zeit.

Bei der Sterne Funkeln
Wieder lässt du nun
Deine tiefen, dunkeln
Augen auf mir ruhn.

Träumend singst du leise
Mir den alten Sang,
Der wie Zauberweise
Meinem Ohr erklang;

Schlägst dann träumend nieder
Deiner Wimpern Saum ...
Singst du deine Lieder
Auch noch heut im Traum?

Nimmer soll erschrecken
Dein Verstummen mich!
Leise möcht' ich wecken
Aus dem Schlummer dich;

Wecken mit der Frage,
Ob aus stiller Nacht
Deiner Kindheitstage
Nun du aufgewacht?

Ob mir nun entgegen
Deine Seele zieht,
Und in Liebessegen
Jedes Leid entflieht?

8.
Bad der Flammen, Bad der Schmerzen,
Ew'ge Liebe du,
Gönnst du jetzt dem müden Herzen
Endlich, endlich Ruh'?

Hast du nun der wilden Triebe
Schlacken all' verzehrt,
Dir zum Heiligthum, o Liebe,
Ganz mein Herz verklärt?

All mein Sinnen, all mein Trachten
Wandelt ja zu dir!
Lass mich durstend nicht verschmachten,
Komm, und lächle mir!

Gieb, o gieb dem müden Herzen
Endlich, endlich Ruh',
Bad der Flammen, Bad der Schmerzen,
Ew'ge Liebe du! (S. 63)

9.
Gewiss! ich wollte dir entsagen,
Als scheu du meine Liebe flohst.
Du sahst mich gehn, und ohne Klagen,
Doch arm an Frieden, Glück und Trost.

Ein Schwimmer, taucht' ich in die Wellen
Des kalten Lebens neu hinein;
Ich sah die Fluth im Sturme schwellen:
Den Stürmen trotzt' ich, und allein!

Manch schimmernd Eiland sah ich blinken,
Manch holde Fei mit Lächeln gab
Den Kelch der Liebe mir zu trinken:
Du botst ihn nicht - ich wies ihn ab!

Nun ist das weite Meer durchschwommen -
Sieh her, ich bin zum alten Port,
Mir selber treu, zurück gekommen,
Und weiß, dass hier mein Heimatsort!

Hier will ich leben, will ich sterben! ...
Verstößt auch heut mich dein Gebot:
So muss ich gehn - doch ins Verderben,
So zieh' ich fort - doch in den Tod!

10.
Und höre, du Mädchen, und liebst du mich nicht,
Und gibst die Seele nicht frei:
So bricht mein Leben, und mit ihm bricht
Die Harfe des Sängers entzwei!

Am Felsen zerbirst sie in dunkler Nacht
Mit wimmerndem Klageschrei;
Nie rauschte des trotzigen Sturmwinds Macht
So schaurige Melodei!

Bis über den Tod, bis über das Grab
Verfolgt dich ihr gellender Schrei.
Du flehst und betest: "Lass ab! lass ab!"
Sie aber giebt dich nicht frei.

Nichts kann dich erlösen vom Todessang
Der schaurigen Melodei -
Und mit schrillem Klang, wie die Harfe zersprang,
Bricht auch dein Leben entzwei!

11.
Das war eine trübe Nacht,
Und ein Schlummer
bang und schwer!
Wie ein Kranker bin ich vom Schlaf erwacht ...
Rings sonnige Pracht! und die Erde lacht -
Doch mein Herz ist öd' und leer!

Im Garten die Nelken blühn,
Und im Feld der duftige Klee;
Die Wälder prangen in jungem Grün ...
Was schiert mich das Blühn, das Duften und Glühn?
Mein Herz ist so krank und weh!

Das macht, mein Liebchen ist todt;
Sie starb in Jammer und Leid!
Nun sing' ich vom Früh- bis zum Abendroth:
Mein Liebchen ist todt! - ach, schlimmer als todt,
Verloren in Ewigkeit!

Sie nahm einen falschen Mann,
Sich selber brach sie die Treu'!
Ist Liebe Das? O nein, hör an:
In der Sünde Bann ein Traum - und dann
Ein Wachen voll Schimpf und Reu'!

Ist Liebe Das? O nein!
So schwarz ist Liebe nicht!
Mag von Schuld der Erdball umfinstert sein:
Zu der Sterne Schein doch hebt sie rein
Ihr göttliches Angesicht!

Mich aber fasst ein Graun,
Und die Hände ball' ich vor Schmerz.
Mein weißes Reh in des Jägers Klaun!
Diese Ranke vom Zaun ist stärker, traun,
Als dein thörichtes Mädchenherz!

Fahrwohl, verlorenes Lieb -
Der Giftkelch ist geleert!
Keinen Seufzer, kein Wort, keinen Gruß mir gieb!
Bist ja todt, mein Lieb! - Was übrig blieb,
Ist keiner Thräne werth!

12.
Ja, du bist frei! der Zauber ist zerbrochen,
Verweht die Flamme meiner Leidenschaft!
Von deiner Lippe ward das Wort gesprochen,
Das mich auf ewig deinem Bann entrafft.
Kein Zaudern mehr, kein Hoffen, noch Verlangen,
Du stehst mir heute ferner schon als fern!
O lass erröthen nicht die scheuen Wangen -
Denn eh' ich selbst von hinnen noch gegangen,
Ging unter meiner Liebe Stern!

Wohl möcht' ich flehn, dass anders es gekommen,
Dass ich beglückt dein armes Herz gesehn;
Dann hätt' ich schweigend meinen Stab genommen,
Verwaist, doch klaglos in die Welt zu gehn.
Und nun? ... O, wär' ich lieber doch gestorben,
Eh' ich dein namenloses Weh geschaut!
Von eines falschen Mannes Trug geworden,
Dem Jugend, Freude, Lenz und Glück verdorben -
Die Taube eines Vampyrs Braut!

Du zages Vöglein mit der weißen Schwinge,
Im Winde bebend wie das schwanke Rohr:
Zu Tode wund in jenes Gauklers Schlinge
Schreist bald du wild in deinem Schmerz empor.
An deiner Jugend lichtem Tag sich weiden
Mag heute noch der nächt'ge Höllensohn;
Dann kommt der Fluch, der Reue Fluch euch Beiden -
Es zuckt und bricht dein Herz in tausend Leiden,
Und seine Liebe ist entflohn!

Betrognes Kind, in wirrem Trug verloren,
Zu retten wähnst du jenen finstern Mann,
Der, wie er selber jede Lust verschworen,
Dich einzig zu sich selbst erniedern kann?
Ein Röschen du, noch kaum erblüht zum Leben,
Und er ein stumpfer Greis mit braunem Haar!
Mit Duft und Schimmer magst du ihn umweben -
Doch kannst du ihm die Träume wiedergeben,
Die Jugendträume, licht und klar?

Wie sollt' er trunken deinen Jubel theilen,
Wenn du dich froh in Ätherlüften wiegst?
Verbluten wirst du an des Unmuths Pfeilen,
Bis du, gleich ihm, verwelkt am Boden liegst!
Die Hoffnung todt, zerschellt dein Lebensnachen,
Kein rettend Land, so weit die Blicke spähn ...
Dann wirst du endlich - ach, zu spät! - erwachen;
Ich weiß nicht: wirst du weinen oder lachen?
Ich weiß nur: du wirst untergehn!

Und ich? - wo schlummern meiner Zukunft Loose?
O, lasst sie ruhn! was frag' ich heut nach mir?
Vom Sturm entblättert seh' ich eine Rose,
Und all mein Sehnen, Hoffen flog zu ihr!
In Liebe wollt' ich schützen sie und pflegen,
Entfalten ihres Blumenkelches Pracht -
Nun schaut' ich sie verheert von Wind und Regen,
Und fromm, doch machtlos, folgt mein Dichtersegen
Ihr in des Elends trübe Nacht.

13.
Lichter Quell und grüne Waldesschatten!
Meine Liebe will ich hier bestatten,
Wo die Drossel melancholisch schlägt,
Und kein Windeshauch das Laub bewegt.

Alte Träume lasst mich schmerzlich wiegen,
Bis sie kalt und starr im Grabe liegen,
Und, von keinem Sehnsuchtsruf geweckt,
Ihre Trümmer Moos und Erde deckt.

Leise, leise! Horch, ein letztes Wimmern! ...
Lebt ihr noch? ... O nein, ein mattes Flimmern,
Eine Irrlichtsflamme, trüb und karg,
Stahl sich täuschend über euren Sarg!

Alles todt, vergessen und verloren!
Nicht ein Athmen selbst für Geisterohren!
Nicht ein Herzschlag, der von Lust und Leid
Kunde bringt aus meiner Rosenzeit!

Lieb' und Glück - begraben will ich's heute;
Dieses Lied sein letztes Grabgeläute!
Ohne Kreuz und ohne Leichenstein
Ruh' es hier im stillen Waldesschrein.

Dann hinweg! kein Wehlaut soll mich stören! ...
Dunkle Nacht schon senkt sich auf die Föhren;
Schweigend von der todten Liebe Gruft
Wandl' ich fort, wohin mein Stern mich ruft.

Collection: 
1870

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