Käthchen

1.
Ich zog in ferne Lande
Hinaus nach Lieb' und Glück;
Ich kam zum Heimatstrande
Enttäuscht und arm zurück.
Mein Hoffen war entschwunden,
Mein Traum verweht im Wind -
Da hab' ich dich gefunden,
Du Balsam meiner Wunden,
Du Trost in trüben Stunden,
Du reines Engelskind!

Wohl hat auch dich mit Wüthen
Des Lebens Sturm umschnaubt,
Und manche deiner Blüthen
Ein jäher Frost geraubt.
Doch wusstest du zu hegen
Den Lenz in deiner Brust -
Und sieh, wie Maienregen
Quillt labend allerwegen
Von dir zu mir ein Segen
Von Lieb' und Frühlingslust!

Hab Dank für deine Güte,
Du sanftes Frauenbild!
Dein freundliches Gemüthe
Schafft mich auch froh und mild.
Du weckest Lust und Lieder
Aufs Neu' im Herzen mir;
Der Schwan der Dichtung wieder
Erhebt sein Glanzgefieder -
Und Lieb' und Lust und Lieder,
Ach, Alles dank' ich dir!

2.
Du hieltest meines Lebens Loose,
Ein Engel, treu in deiner Hand;
Die Sonne warst du mir, die große,
Die hehr an meinem Himmel stand.
Nun ist die Sonne mit entschwunden;
Verbluten soll an meinen Wunden
Allein ich in der kalten Welt.
Der Engel hebt die weißen Flügel,
Und schwingt sich über Thal und Hügel
Fern, fern hinauf zum Himmelszelt.

Aus nun die Lust und aus das Leben!
Still weinend tret' ich in die Nacht.
Werd' ich mich jemals neu erheben?
All' eins! mein Schicksal ist vollbracht.
Kein Blitz kann mich erreichen,
Der nicht mich näher zu dem bleichen
Gespensterland der Todten bringt.
Ob wild sich noch die Wogen bäumen:
Ich will von jener Ruhe träumen,
Die uns in ew'gen Schlummer singt.

Und wie in grauer Vorzeit Tagen
Das Volk den ausgestoßnen Mann,
Den Götterzorn aufs Haupt geschlagen,
Still überließ des Elends Bann:
So lass' auch mich die Welt, die laute,
Vom Strahl, dem ich mein Glück vertraute,
Zerschmettert, der Vernichtung nahn,
Und, frei von ihrem Lob und Schelten,
Geweiht, verflucht - was soll mir's gelten? -
Fortwandeln meine düstre Bahn!

3.
Es quält mich oft, seit du geschieden,
Dass ich, der so viel' Kränze schlang
Um Herzen, die mich kalt gemieden,
Für dich so wenig' Lieder sang.

Wie kam's nur, dass die goldne Leier,
Die jeder Windhauch sonst bewegt,
Zu unsres Liebesfrühlings Feier
Mit Jubelschall sich nie geregt?

Hab' ich in deinen Liljenarmen
Denn thatlos schier die Zeit verträumt,
Und über deinem himmlisch warmen
Den Kuss der Muse ganz versäumt?

Ach! Götter durften uns beneiden,
Es blieb kein Wunsch uns mehr zurück;
Doch wortlos wie das tiefste Leiden,
Ist wortlos auch das höchste Glück.

In deines Auges Glanz verloren,
War all mein Leben Poesie -
Nun hab' ich sinnend neu beschworen,
Die Schmerzensfluth der Elegie.

So nimm dies Lied, das leisen Schwebens
Als Gruß zu dir hinüber wallt
An jenen dunklen Strand des Lebens,
Von wo kein Echo wiederschallt!

4.
Du schläfst nun unter Rosen und Cypressen
Ein traurig langes Jahr;
Und doch ist dein Bild so unvergessen,
Wie einst es war.

Noch jeden Morgen kränz' ich deinen Hügel
Mit frischer Blumen Zier,
Und überallhin folgt, wie Engelsflügel,
Dein Schatten mir.

Zuweilen, wenn des Tages Mühn und Sorgen
Geräuschvoll mich umgellt,
Hast du dich wohl vor meinem Blick verborgen
Im Lärm der Welt.

Heimwärts dann schritt ich mit gebrochnem Herzen,
Allein, ach! ganz allein,
Und noch im Schlummer wälzt' ich meiner Schmerzen
Ruhlose Pein.

Doch, aufgewacht in nächtig stillen Stunden
Von meiner Thränen Fluss,
Hab' oft ich deines Odems Hauch empfunden,
Wie Geisterkuss.

Auf meine heiße Stirn dann fühlt' ich legen
Sich eine kühle Hand,
Und deiner Nähe Himmelstrost und Segen
Hab' ich erkannt.

Auch Todte, lernt' ich, können Grüße spenden
Und liebend um uns sein,
Und Der, zu dem sie hold ihr Antlitz wenden,
Ist nicht allein.

Wie sie im Leben Lenz und Licht und Labe
Für ihn gewesen sind,
Umfächelt ihn noch tröstend aus dem Grabe
Ihr Odem lind.

So schweb um mich mit weichem Seraphsflügel,
Verklärtes Engelsbild,
Bis jedes Leid der stille Todtenhügel
Auch mir einst stillt!

Collection: 
1870

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