1.
Ich sang wohl oft in frühern Tagen
Von Liebe, Freiheit, Lust und Schmerz,
Und manchmal war's, als hört' ich schlagen
In meiner Brust der Menschheit Herz.
Und manchmal war's, als hört' ich tönen,
Wenn ich ins eigne Herz gelauscht,
Die Worte, draus ein Weltversöhnen
Schon fern zu uns herüber rauscht.
Wie ist das Alles schal geworden,
Das eigne Lied wie trüb und kalt,
Seit nun in vollen Klangakkorden
Dein Wort in meine Seele schallt!
Was ich auf irrverschlungnen Bahnen
Als Stern begrüßt im Lebenstraum:
Es war ja kaum ein dämmernd Ahnen,
Ein Lichtatom der Liebe kaum -
So bricht am Tage wohl ein Leuchten
Im Wiederschein aus dunkler Fluth,
Wenn tiefer Schätze Gold im feuchten
Meerschoße still verborgen ruht.
Laß nun die Schätze selbst mich heben!
Kühn steig' ich neu ins eigne Herz,
Und trag' empor ans helle Leben
Der Liebe Gold, der Weisheit Erz.
Und was mir so im Glanz der Tage
Der Schönheit stiller Gott verliehn,
Das mag als Lied, als Ton, als Sage
Von mir zu dir hinüber ziehn!
2.
Sonne, ich grüße dich!
Empor tauchst du
Über dem schwarzen See,
Dem nächtlich murmelnden,
In dessen finsterem Schoß
- Einsam trübe, -
Statt der freudig strahlenden Welt,
Nur der Mond sich gespiegelt
Und die bleichen, kalt blitzenden Sterne.
Siehe, nun steigst du empor!
Ein Phönix des Himmels,
Schwingst du dich auf,
Und entfaltest dein Strahlengefieder
Über der rosig lächelnden,
Schlummer-enthobenen Welt!
Du wecktest sie alle,
Die da schliefen im Walde,
Die munteren Sänger;
Von den Schwingen schüttelnd
Den Thau der Nacht,
Begrüßen sie dich
Tausendkehlig,
Und singen dir fröhlich
Ein neues Lied.
Sonne, ich grüße dich!
Mich auch wecktest du
Aus des bleiernen
Traumes Umarmung
Wieder ins Leben,
Wieder ins Licht!
Und zum Danke
Singet der Sterbliche
Dir, der oftmals besungnen,
Mit jauchzenden Kehle
Ein neues Lied.
Sonne, wie grüß' ich dich?
Nenn' ich dich Helios,
Freundlich gedenkend,
Wie du dereinst
Mit klingenden Pfeilen
Aus göttlicher Höhe
Den Python erlegtest,
Das missgestaltete
Scheusal der Nacht? -
Oder verlach' ich,
Ein weise belehrter Thor,
Der Völkerjugend
Sinnige Fabeln,
Und bestaune dich
Mit des Verstandes
Pfiffig blinzelnder Schlauheit
Als leuchtende Kugel,
Welche nur scheinbar
Fest am ewigen Himmel steht,
Aber, ein dienender Stern,
Sich in endlos
Rauschenden Bahnen
Nur um andere Welten schwingt? -
Nein, o Sonne!
Mit höherem Namen
Will dich grüßen!
Will dich begrüßen
Mit dem heiligsten Namen des Herzens,
Mit dem Namen des Weibes,
Das mich selber
Aus der Phantasie
Schellenklingenden,
Dumpf belastenden Träumen
Wieder ins Leben
Geweckt, ins Licht!
Lange schlief ich
Verwünschten Schlaf.
Mich geleiteten
- Einsam trübe -
Auf der nächtigen Lebensfluth
Nur ein fernes Abbild
Künftiger Tage
Und der Hoffnung bleiche Gestirne.
Maria,
Sonne des Lebens,
Siehe, da tauchst du empor!
Kraftvoll
Zertheilst du die Nebel
Der finsteren Nacht.
Morgenröthe
Beglänzt schon mit siegendem Strahl
Die erwachte Seele -
Laut jubelt die Seele zu dir!
Du wecktest sie alle,
Die da schliefen im Herzen,
Die munteren Lieder;
Von der Schwinge schüttelnd
Den Thau der Nacht,
Begrüßen sie dich
Tausendstimmig,
Und verwundert
Hörst du sie klingen:
"Sonne des Lebens, wir grüßen dich!
Wonne des Strebens, wir grüßen dich!
Hör uns, hör uns, Maria!"
3.
Armes Wort! wie darfst du wagen
Mit der Töne bleicher Pracht
Bild und Deutung ihr zu sagen,
Ohne Wort und Ton gedacht?
Sprich, wie darfst du jene Kreise,
Die harmonisch leise - leise -
Schwingen, klingen durch das All,
Stören mit des Liedes Weise,
Trüben durch der Stimme Schall?
O, ich weiß: es wird erscheinen
Jener Tag, wo Herz und Herz
Sich in Gluthen wird vereinen
Ohne rauher Töne Schmerz;
Wo dem voll erblühten Leben
Nur ein klangerzitternd Beben
Worterlöste Sprache leiht,
Und in freiem Weltdurchschweben
Seele sich der Seele weiht.
Doch bis jener Tag gekommen,
Aus der Zeiten Schoß getaucht,
Sei, was schauend wir vernommen,
Uns in Tönen hingehaucht;
Bis geweihter, stiller, treuer
Unsichtbar magnetisch Feuer
Unser Wesen ganz durchdringt,
Und bis ohne Wort ein neuer
Sphärenklang das All durchklingt.
4.
Du liegst in den Kissen so bleich und krank;
Die Winde heulen, die Sonne sank -
Ave, Maria!
Die Stürme pochen ans Fensterlein;
Lass stürmen, lass brausen, schlaf ein, schlaf ein -
Ave Maria!
Schlaf ein, du armes, du krankes Kind,
Der Traum dir fächle die Stirne lind -
Ave Maria!
Lass mich und den Traum dir Hüter sein,
Es wacht und hütet sich gut zu Zwein -
Ave, Maria!
Ave, Maria! mein Licht und mein Stern,
Schlafe, mein Liebchen, der Tod ist fern -
Ave, Maria!
Ave, Maria! das Leben dir lacht!
Mein Lieb und mein Leben, gut' Nacht, gut' Nacht -
Ave, Maria!
5.
Nun ist die Nacht, die kalte Nacht
Am Himmel aufgezogen,
Und mild beglänzt der Sterne Pracht
Des Lebens stille Wogen.
Dir kam der Schlaf - o brächt' er dir
Im Traum ein süß Gesunden,
Wie dieses Schlummerlied ich dir
Als Kranz von Mohn gewunden.
Ein Lied so leis, ein Lied so sacht
Möcht' ich für dich ersinnen;
Das sollt' in dich durch Schlaf und Nacht
Wie Thau des Friedens rinnen.
Vielleicht am Morgen grüßtest du
Erwacht mich und genesen,
Und ahntest still, dass Heil und Ruh'
Mein Lied für dich gewesen.
6.
Stolzes Herz, o neige, neige
Dich der jungen Königin!
Wirf der Lieder bunt Gezweige
Rauschend ihr zu Füßen hin!
Ob sie auf geknickten Halmen
Deiner kühnsten Worte schwebt:
Streu ihr Blumen, brich ihr Palmen,
Sprich, wie ihr in Jubelpsalmen
Jeder Nerv entgegenbebt!
Stolzes Herz, - du warst gebunden,
Als du dich so frei geglaubt.
Da erst, als du sie gefunden,
Ward die Binde dir geraubt.
Sieh, es schwand der Wahn der Thoren,
Frei nun fühlst du dich im Zwang;
Und du weißt: in sie verloren,
Aus dir selber neu geboren,
Rauscht melodisch dein Gesang.
Von der Willkür dunklen Stegen
Wardst du kühn emporgerafft,
Mächtig reißt dich ihr entgegen
Lichtentflammte Leidenschaft.
Mit den Erden, mit den Sonnen
Fliegst du durch den Traum der Zeit;
Wandellos, dem Schein entronnen,
Freibewusst im Schoß der Wonnen
Ewiger Nothwendigkeit!
7.
Dem Wandrer gleich, der, wenn er den Felsensteg
Schon halb erklomm zum Tempel auf Bergeshöh',
Stillrastend einmal noch sich umblickt
Nach des beschrittenen Weges Marken -
Da liegen sie: Lenzauen im Mittagsglanz,
Krystallne Fluth, was tobendes Meer ihm schien,
Darob die unheildrohnde Wolke
Selber in schimmernden Duft zerflattert;
Und strahlend vor ihm hebt sich des Tempels Bau,
Des nahen Ziels glanzhelle Verheißung, schon: -
So mögen wir aus froher Seele
Von der gewonnenen Rast des Lebens
Rückschauen einmal auf die vergangne Zeit,
Die ferner bald uns schwindet im Wonneglanz;
Und sieh, wie traumhaft schnell zerrinnen
Alle die Sorgen in Duft und Nebel!
Zwei Kämpfern gleich, die, starrend in Kriegerschmuck,
Zu liebem Handdruck selten die Zeit erhascht,
Und nur begeistrunghellen Blickes
In dem Gewühle der Schlacht sich trafen:
So lächelt' uns auch selten der heitre Scherz,
So drückten wir auch selten uns froh die Hand,
Und nur im Sturmschrittmarsch des Strebens
Trafen sich leuchtenden Blicks die Augen.
Doch siehe, fern nicht strahlt die Verheißung mehr,
Geblendet stehn wir nahe dem Tempel schon;
Der rauhe Dornpfad selbst des Weges
Schwindet in lustigem Blumgewinde!
Und wie sich zweimal hebt der metallne Vers,
Gehoben mühvoll, dröhnend herniederfällt;
Dann aber, leicht harmonisch fluthend,
Klingenden Spieles in Lust dahinrauscht:
So ladet uns durch starrende Finsternis
Zum Siegesfestmahl wilde Gedankenschlacht,
Bis in des Weltalls Melodieen
- Selige Götter - die Menschen stimmen.
8.
An die Scheiben blitzte der junge Tag,
Die liebliche Kranke zu grüßen.
Auf schneeigem Pfühle dein Köpfchen lag,
Ich kniete zu deinen Füßen.
Ich stahl mich ins Zimmer, so sacht, so sacht,
Dass kein Tritt deinen Schlummer verderbe;
Kein Wort soll dich stören aus Träumen der Nacht -
Dich wecke des leuchtenden Frühroths Pracht,
Maria, du Süße, du Herbe!
Da flammt es empor - ein feuriger Ball!
Auffliegen die Nebel des Thales;
Es schauern die Wälder beim tönenden Schall
Des blitzenden, schimmernden Strahles.
Und weiter flieget der goldne Schein,
Dass der Tag das Dunkel beerbe;
Schon klingen die Lieder aus Feld und Hain -
Sie wollen dir Boten des Lichtes sein,
Maria, du Süße, du Herbe!
Ich öffne das Fenster - nun regst du dich leis -
Dich fächelt der Lüftchen Gekose;
Wie flammt noch die Stirne dir fieberheiß,
Du bleiche, du zitternde Rose!
Herein, du flammende Morgenpracht,
Dein krankes Röschen umwerbe!
Herein, herein! ... Da bist du erwacht,
Es jubelt dein Herz und dein Auge lacht,
Maria, du Süße, du Herbe!
9.
Sprich, o Holde: war es nicht Gesang,
Wenn dein Wort in meine Seele klang;
Wenn die Rede quoll
Weich und liebevoll,
Und das Herz in Weisheitsgluthen schwoll?
Wenn das Herz in Weisheitsgluthen schwoll,
Weil aus tiefster Brust das Wort erscholl,
Das die Sterne lenkt,
Das die Erde schwenkt,
Und im Menschen nun sich weiß und denkt?
Was im Menschen nun sich weiß und denkt,
Selbst ein Lied, sich fluthend hebt und senkt;
Was in Wort und Klang
Deinem Mund entsprang,
Sag, o Holde: war es nicht Gesang?
Nein, es war, o Holde, nicht Gesang,
Weil noch laut das Wort in Lüften schwang;
Weil ein Ton noch schlägt
Hart und rauh bewegt
An das Ohr, wenn sich die Lippe regt.
Wenn das Ohr, die Lippe nicht sich regt,
Wo das Herz dem Herzen Kunde trägt:
Dann erst wird Gesang,
Was im Ätherklang
Frei von Seele sich zu Seele schwang.
10.
Es war kein schwächlich Liebewerben,
Was uns auf gleiche Bahnen zog -
Ein Kampf auf Leben und auf Sterben!
Wir schlügen jedes Glück in Scherben,
Dafern uns nur ein Traum belog!
Dafern uns nicht dasselbe Ahnen
Zum selben Menschheitsziele trug;
Dafern nicht stolz im Frühlingsmahnen
Auf zu denselben Zukunftsbahnen
Des Geistes Aar den Fittig schlug!
Und wär' uns Liebe nicht gegeben
Als Schicksalszwang, als heil'ge Noth:
Wir würden fern uns bald entschweben -
Nur jene heil'ge Noth ist Leben,
Und ohne sie ist Liebe Tod!
11.
Ja! lange hab' ich sie bezwungen,
Die kühne Gluth der Leidenschaft -
Doch nun mit wilden Feuerzungen
Durchbricht sie ihre Kerkerhaft;
Die Haft, darein ich stark sie bannte,
Bis Alles sie zu Staub verbrannte,
Was trügend meinen Geist umwob;
Bis in des Schmerzes heil'gem Feuer
Zerging, was mir an Wahn noch theuer,
Und sich ein Mensch, ein reiner, neuer,
Geläutert aus den Flammen hob.
Ist nun geweiht, wie je auf Erden
Ein Menschenherz, der Seele Brand?
Nein, edler musst du, größer werden,
Bis ganz in dir der Gott erstand.
Doch sei's! nicht länger will sie zagen
In dumpfer Haft, frei will sie schlagen
- Die Flamme - auf zum Himmelszelt!
Was braucht's, dass sie ihr Licht verhehle?
Frei schwingt sie sich als Philomele,
Als Lied, als Klang, als Frühlingsseele
Hinaus in ihre - deine Welt.
Du bist's, o Götterbild der Frauen,
Der ihre Gluth entgegen schlägt.
Lass sie das Wintereis zerthauen,
Das auch noch deine Seel' umhegt!
Sie muss! sie wird! Durch Eiseshülle
Stürmt sie mit heißer Liebesfülle
Der Flamme deines Herzens zu,
In Eine Gluth mit ihr zu glühen
Ein Feuerkelch der Lust zu blühen,
Ein Blitz ihr Leben zu versprühen, -
Dein Tempel ich, mein Weltall du!
Empor den Blick! O lass mich trunken
Aufschaun zu dieser Sterne Pracht!
Lass steigen mich, in Traum versunken,
In deines Herzens tiefsten Schacht!
Ach, Seel' um Seele möcht' ich tauschen,
Und jeden Athemzug belauschen,
Der unsres Lebens Pulse schwellt;
Ich möcht' - ein Lied - aus dir entschallen,
Und dann in tausend Wiederhallen
Zurück in dich unsterblich wallen,
Ein ewiger Akkord der Welt!
Ich fühl's! ich fühl's! mit dir im Bunde
Wird sich mein Wesen ganz befrein,
Im ewigen Genuss der Stunde
Ganz Seele, Lied und Flamme sein!
Dich tragend, selbst von dir getragen,
Will ich zu Ätherhöhen wagen
Den Flug, die noch kein Blick durchdrang.
Sieh her! ich breite schon die Schwingen,
Den ersten Frühlingsgruß zu bringen -
Ein Lied der Liebe will ich singen,
Wie je nur eins das Leben sang!
Der Lieb' ein Lied, ein Lied dem Leben,
Verrausche uns des Daseins Fluth;
Ein Blitz, der Liebe, Lied und Leben
Auslodern lässt in Eine Gluth:
Dass, wenn am letzten unsrer Tage
Der Geist mit sanftem Fittigschlage
Sich neuem Wandlungsstrome weiht,
Wir, noch im Tod von Lust durchdrungen,
Ein Stern, der seine Bahn geschwungen,
Ein Strahl, verglüht - ein Lied, verklungen,
Hinwandeln in die Ewigkeit!
12.
Du sprichst: "Ich harre in des Norpols Eise,
Bis mich der Liebe Flammenstrahl erweckt.
Euch bin ich todt - was stört ihr meine Kreise?
Still harrt' ich auf des Wundervogels Weise,
Der wohl doch endlich meine Spur entdeckt." -
Wärst du ein Weib, das stumm in Trauerflören
Ihr Herz verhüllt, bis ihre Stunde naht;
Gewärtig stets, der Liebe Ruf zu hören,
Zu groß, durch falschen Schimmer zu bethören,
Doch Blüthen spendend rings auf ihrem Pfad:
Dann wollt' ich glauben, dass auf Sehnsuchtswogen
Aus fernstem Ort - wo Indiens Sonne brennt -
Von deiner Gluth magnetisch angezogen,
Zu dir die Liebe käm' einher geflogen,
Die weder Tod, noch Eis und Wüste trennt.
Doch so? - kalt webst du deine Zauberkreise,
Und höhnst der Opfer, die dein Spiel verlockt.
Fast dünkt mich, dass der Wundervogel leise
Dich rief - du hörst ihn nicht! - und nun im Eise
Der letzte Pulsschlag deines Herzens stockt.
13.
Du stolzes Weib voll irrer Zaubermacht!
An deine Zukunft hab' ich oft gedacht,
Die mir das Herz erfüllt mit düsterm Bangen.
O, nie vergess' ich jenen eis'gen Traum,
Von dem gemartert in der Kissen Flaum
Entsetzt ich barg die glühnden Wangen!
Ein Winter war's, gleich diesem trüb und kalt.
Alleine durch den blätterlosen Wald
Kam ich im späten Abendgold geschritten.
Rings alles Wildnis, die kein Menschenfuß
Vor mir betrat ... Da winkt mir wie zum Gruß
Ein Hüttlein aus des Waldes Mitten.
Eintret' ich rasch. - Ob mich denn Keiner hört?
Nicht oft doch, mein' ich, ihr Bewohner! stört
Ein fremder Schritt das Schweigen dieser Wände.
Halloh, wacht auf! - Da schreitet auf mich zu
Ein blasses Weib ... O Gott, Maria! du
Entflohst an dieser Wildnis Ende?
Sie reicht die Hand mir. - Wenig' Jahre nur,
Seit ich begegnet deiner Flammenspur,
Sind hingezogen über deiner Stirne.
Doch weh, dein Auge grüßt mich kalt und todt,
Dein bleiches Antlitz glüht im Abendroth
Wie Schnee auf eines Gletschers Firne!
Bist du gestorben? Deine Hand ist Eis -
Doch nein, wie ehmals pocht dein Herz noch heiß; -
Was hat an dir die schöne Welt verbrochen?
Was flohst du trotzig aus der Menschen Bund? ...
Ein schmerzlich Lächeln spielt' um ihren Mund,
Und also hat sie trüb gesprochen:
"Nie weckte mich in dieser Welt voll Qual
Zum Tag des Lichts ein warmer Sonnenstrahl,
Nicht Glück noch Freude hab' ich je besessen;
Wenn rings der Frühling junge Blüthen trieb,
Aufküssend jedes Herz zur Wonne, blieb
Nur ich verloren und vergessen!
Ich wollte trunken durch die Spanne Zeit
Hinfliegen, athmend nur in Seligkeit -
Ihr hießt um mattes Erdenglück mich werben.
Von eurer Lust, der halben, will ich Nichts!
Versucher, geh - du bist ein Kind des Lichts -
Lass mich in meiner Wildnis sterben!"
Sie ging. Im Hause ließ sie stehn mich kalt,
Lang scholl ihr irres Lachen durch den Wald,
Erstarren fühlt' ich meines Herzens Pochen.
Eis meine Stirne, meine Seele Eis! ...
Da wacht' ich auf - im Fieber - kalt und heiß -
Mir war's, als sei mein Herz gebrochen.
***
Seh' ich dich heut, unselig Zauberweib!
Mit deinem Weh geputzt, wie um dein Leib
Der Bühnenheldin Prachtgewänder fluthen;
Schau' ich dich buhlen um des Beifalls Zoll
Mit deiner Wunden Leid, statt würdevoll
Und groß an ihnen zu verbluten:
So denk' ich oftmals an den alten Traum,
Und wollt', ich säh' dich an der Wildnis Saum,
Von deinen todten Hoffnungen umgeben;
Und sähe dich, erstarrt in deinem Weh,
Gen Himmel stumm den Blick, wie Niobe,
Aus deinem Waldeszelt erheben.
Dann bahnt' ich mir durch jeder Wüste Graus
Den Weg zu dir, und schritte stark hinaus,
Mit Purpurglanz den Abend dir zu färben;
Aufküssen wollt' ich dich zum Sonnenlicht:
"Wach auf, Maria!" - oder könnt' ich's nicht,
So wollt' ich einsam mit dir sterben!
14.
An myst'schem Wort und dunklem Spruche,
Drin unser Geist gefangen irrt,
Gleichst du dem alten Bibelbuche,
Das manchen Denker schlau verwirrt.
Ist ihm die Deutung dann gekommen,
So schreibt er in bescheidner Ruh',
Was er der eignen Brust entnommen,
Wohl gar dem fremden Irrspruch zu.
15.
Abend war's. Es zogen deine Lieder
Schwer und klagend in das Feld hinaus.
Meine Stirn in Trauer beugt' ich nieder,
In des Grames Fesseln schlug mich wieder
Deiner Nixentöne Fluthgebraus;
Lockte mich im Schwellen
Weicher Klangeswellen
Tief hinab in dein krystallnes Haus.
Einmal schau' ich noch empor. Verschlingen
Soll mich dann der Töne kühles Meer.
Aber sieh - auf mächt'gen Strahlenschwingen
Rauscht die Sonn', und kränzt mit Feuerringen
Jeder Wolke Saum, von Golde schwer.
Flammen dort und Flammen
Schlagen glüh zusammen,
Purpurfluth und Leuchten ringsumher!
Schau, Maria! jauchzt' ich freudetrunken. -
Kalt und nüchtern starrtest du empor:
"All der Schein ist mir in Nacht gesunken!
Ach, ich weiß, die Gold- und Purpurfunken
Glitzern trügend nur dem Auge vor;
Darf in ihnen lesen
Nicht ihr ewig Wesen,
Das in Dunkel sich dem Blick verlor!"
Seelenlose! nimmer will ich lauschen
Deiner Träume kaltem Wellenlied!
Sorglos will ich Flamm' um Flamme tauschen,
Will in Duft und Schimmer mich berauschen,
Eh' der helle Farbenschein entflieht!
Rosen will ich streuen,
Und im Licht mich freuen,
Dass so schön mein Aug' die Welten sieht!
16.
Sollt' ich vereinsamt sterben müssen,
Von keines Weibes Huld verklärt,
So freut doch Eins mich: - dass zu küssen
Mich nicht dein falscher Mund gelehrt!
Wenn nie in all' den Erdentagen
Zum Gotte mich die Liebe weiht:
O Herz, es wäre schlimm zu tragen,
Ich weiß, du brächst in deinem Leid ...
Doch sollt' ich nie die Stund' erschauen,
In der mein Lebensstern mich grüßt:
Ich trüg' es eher, als das Grauen,
Dass lebend mich der Tod geküsst!
17.
Nun sind verträumt die flücht'gen Stunden,
Die mich an deine Spur gebannt -
Lebwohl, verzaubert Inselland,
Dem siegend sich mein Geist entwunden!
Geh du in deiner Selbstsucht Hallen,
In deiner Öde Nacht zurück!
Dein Bau, o Circe, muss zerfallen,
Und fern von deinen Liedern allen
Taucht neu empor mein Lebensglück.
Aus seines Winters Frost erretten
Wollt' ich dein wahnumflortes Herz -
Doch sieh, du schlugst mit kaltem Scherz
Mich selbst in schnöden Zaubers Ketten!
Was Seel' und Geist an Schätzen hegen,
Hast du in frevlem Spiel geraubt;
Und als ich all den goldnen Segen
Geopfert, trugst du mir entgegen
Ein tödliches Medusenhaupt.
Fahrwohl! Ich mag dir nimmer grollen,
Dass du, was tief mein Herz erfreut,
Als welke Blumen hingestreut
Auf deinen Weg, den dornenvollen.
Die Zeit, ach, fürcht' ich trüb und bange,
Da du Verzweiflungszähren weinst,
Und da, in all dem Sehnsuchtsdrange
Verwaist, auf deinem Schmerzensgange
Du arm und hoffnungslos versteinst!
Fahrwohl, fahrwohl! Mich ruft die Stunde
Hinweg zu höherm Lebensziel:
Der Menschheit steuert zu mein Kiel,
Mit ihrem Glück und Leid im Bunde!
Ade, verwünschte Zauberhügel,
Wo Circe's Lockung mich umspann!
Die Zukunft leihe mir die Flügel,
Und trage mit verhängtem Zügel
Zu neuen Sonnen mich hinan!