Umwebt vom Zauber duft'ger Waldesnacht
Weil' ich geschützt vor glüher Tagespracht;
Von grünem Laubdach traulich überspannt,
Ist in ein Friedensreich der Sinn gebannt.
Als ob geheimer Geist ihr Spiel belebt,
So Licht und Schatten ineinanderwebt;
Wie Goldgeäder glüht's auf moos'gem Grund,
Traumhaft von fern erklingt ein Quellenmund;
Der bunten Käfer schillernd Flügelkleid,
Es spreitet sich zu lustigem Tanze weit;
An stillen Blumen rühren Lüfte fein
Duftselig säuselnd in dem grünen Hain;
Und - wundersam! - es rührt verwandter Hauch
Leis an den Tiefen meiner Seele auch;
Aufleuchtet allmachtvoll Erinnerung
Und weckt geheimnisvollen Geistesschwung.
Ein Ton verjüngten Lebens wieder klingt
Zu seligsüßer Harmonie beschwingt.
Abfällt der Daseinssorgen Schwergewicht,
Es taucht der Blick, wohin er schaut, in Licht,
Dem Herzen kehrt ein Lustmoment zurück,
Der fast so schwer wiegt wie ein ganzes Glück.
Im vollern Strom die Lebensquelle rauscht,
Da Einst und Jetzt ihr wundersam vertauscht.
Und reiner ist des Frömmsten Beten nicht
Als ein Erglüh'n vor solchem Traumgesicht! -
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Verklär'nder Schein das Laubgeäst umfließt,
Hindurch gedämpft sein Licht der Himmel gießt;
Und leis erschauert wie von Lust durchbebt
Das grüne Reich, des Odem mich belebt. -
Auch Dich, o Wald, durchdringt der Liebe Hauch,
Du stehst im Zauber und verzauberst auch! -
aus: Deutsche Dichterin[n]en und Schriftstelerin[n]en
in Wort und Bild
Herausgegeben von Heinrich Groß
III. Band Berlin 1885