Es bebt mein Herz, da leis vom Himmel funkelt
Das junge Morgenlicht, das hell umglüht
Die Bergeshöh'n und in die Kluft versprüht
Den sel'gen Strahl, wo noch der Nebel dunkelt.
Es bebt mein Herz bei diesem Flammensegen,
Der um ein Weltall seine Glorien flicht,
Die schöne Glut in jeder Welle bricht,
Millionen Leben tränkt im Strahlenregen! -
Es bebt mein Herz, da junge Kräfte steigen
Urewig neu stets aus dem Born der Zeit,
Ursach' und Wirkung durch die Ewigkeit,
Draus sich gestaltet der Geschichte Reigen.
Es bebt mein Herz und zieht auf leisen Schwingen
In Näh' und Fern' - hier wallt ein Trauerflor,
Dort singt zum Brautzug wohl ein Jubelchor,
Mißton und Wohllaut ineinanderklingen! -
Es bebt mein Herz bei ahnungsvollem Lauschen,
Als spräch geheimnisvoll der Weltengeist,
Der die verzagte Frage schweigen heißt,
Die duftgetränkten Morgenlüfte rauschen. -
Es bebt mein Herz, will zum Gebet sich heben
Umtaut von Thränen, doch von Glut umloht,
Drängt neubeglückt empor aus Erdennot,
Im Göttertraum sein inn'res volles Leben! -
aus: Deutsche Dichterin[n]en und Schriftstelerin[n]en
in Wort und Bild
Herausgegeben von Heinrich Groß
III. Band Berlin 1885