Durch die off'nen Fenster fluten
Alte, liebe Frühlingslüfte,
Lieblich weh'n aus Blumenherzen
Ach, wie einst, die linden Düfte.
Mondenlicht umgleitet leise
Wundersam die stillen Auen,
Und vom nahen Hain die Lieder
Klingen weich beim Abendtauen.
Klingen mir in's öde, öde
Kämmerlein so lustbefangen,
Und mir dämmert auf ein altes,
Längst verwehtes Glutverlangen.
In die Ferne lauschend, zittert
Mir das Herz in mächt'gen Schlägen,
Will, wie einst, des Liebsten Nähe
Nach dem Klang der Schritte wägen.
Und mit stummem Händefalten
Fühl ich, ach, ein stummes Sehnen,
Einmal noch das Haupt, das müde,
Weinend an sein Herz zu lehnen.
aus: Unsere Frauen in einer Auswahl aus ihren Dichtungen
Poesie-Album zeitgenössischer Dichterinnen
Von Karl Schrattenthal
Mit zwölf Porträts in Lichtdruck
Stuttgart 1888