Von Liebe

Lieder an einen fahrenden Ritter

I.
Du bist mein Prinz aus der Märchenwelt,
Der zur Dornenrose gekommen,
Doch hast du von ihrem Haupte nicht
Den Zauberbann genommen.

Wohl durchbrachest du siegend das Rosengestrüpp,
Und wecktest sie auf mit Kosen,
Doch flochtest du ihr auf die blasse Stirn
Einen Dornenkranz statt der Rosen.

Wohl fühlte sie deinen befreienden Kuß
Und dein liebeheißes Umfassen,
Doch, als du sie kaum erlöst zum Glück,
Da hast du sie jähe verlassen.

II.
Er ist in's Wälschland gefahren dahin -
Dort glühen und zittern die Lüfte,
Dort steigt von den braunen Bergen in's Land
Ein wogendes Gedüfte.

Die Reben strecken den kräftigen Arm
Hinab in's Thal, voll Trauben,
Und drüber hinaus, in den Himmel weit
Flattern weißbrüstige Tauben.

Weißbrüstige Tauben, ein wilder Schwarm,
Sind am Himmel die einzige Wolke, -
Der aber leuchtet märchenhaft
Über Spanien und seinem Volke.

Dort wandeln viel wunderschöne Frau'n,
Viel braune, köstliche Dirnen;
Das schwarze Haar liegt wie Kronengeflecht
Auf königlichen Stirnen.

Wie des Gebirges Cypressen schlank
Und dunkel sind ihre Glieder;
Und sie beugen sich reizend in seinem Arm
Wie im Sturme auf und nieder.

Einst sprach er: "Ich muß aus eurem Land,
Es ist mir zu kühl und zu nüchtern -
Die Männer sind philistergelehrt,
Die Frauen blutlos und schüchtern.

Du Einzige bist kühn von Geist
Und schöner von Leib als die Andern,
Und dennoch treibt es mich fort von dir,
Und dennoch muß ich wandern.

Nicht ziemt es Rittern von meiner Art
Im Liebesarm zu erschlaffen -
Es gilt in dieser großen Zeit
Zu kämpfen mit Geisteswaffen.

Und in mir brandet die Jugendkraft
So voll in Gehirn und Herzen -
Ich sehne mich nach Thaten kühn
Und ungeheuren Schmerzen.

Ich sehne mich nach der Blume blau
In den Romantik Wäldern;
Ich sehne mich nach blut'gem Sieg,
Nach Schlachten und Kampfesfeldern;

Ich sehne mich nach dem Saïsbild,
Und nach dem Stein der Weisen;
Ich höbe gern mit Herkuleskraft
Die Erde aus ihren Kreisen;

Ich will mit Ahasverus' Schritt,
Mit Faustens gewaltigen Lüsten
Und dennoch mit Hamlet's düster'm Sinn
Durchirren des Lebens Wüsten." -

Doch nun ward der nordische Fürstensohn
Ein weicher, südlicher Schlemmer,
Und alle seine Thatenlust
Löst sich in Liebesgedämmer.

Sein Haupt ruht auf dem Lotterbett
Der braunen, südlichen Busen,
Und dort vergißt er den heil'gen Apoll
Und alle seine Musen;

Und dort vergißt er, was er gestrebt,
Und all' seine göttlichen Triebe -
Die Lust zum Kampf, die Lust zum Sieg,
Und - seine Jugendliebe.

III.
Mein fürstlich Lieb, mein süßer Genoß,
Und denkst du noch der Zeiten?
Du sah'st mich mit blitzenden Augen an,
Voll fragender Seligkeiten ...

Du schlangest meiner Flechten Braun
Um deine bleichen Hände
Und sagtest, daß dich in alle Zeit
Die Zauberfessel nun bände. -

Wir gingen den Waldessteig hinan,
Verworren ragten die Bäume;
Es lag ein Glanz auf deiner Stirn
Wie lichte Kinderträume.

Du sagtest: "Wie webt das Mondenlicht
Blaublumen in deine Haare!
Wie lacht dein Mund so wonnesam
Und dein Auge, das dunkelklare!

Und bist du denn ein irdisch Weib,
Vielschöne seltsame Fraue?
Du schaust so heimathlos hinaus
In die helle Nacht und in's Blaue.

Und was auf deinem Haupte gleißt,
Das ist die Wunderblume;
Es suchen sie Tausende in der Welt
Zu stillem und lautem Ruhme."

Ich sagte: "Das ist das Mondenlicht,
Das flimmert auf meinen Flechten,
Und was du redest, ist süß und toll,
Wie Träume in Lenzesnächten."

Doch du: "Der Dichtung blaue Blum'
Die liegt auf dem Haupt dir als Krone,
Du bist meines Lebens Königin,
Und ich kniee vor deinem Throne."

- Und dennoch gingst du und ließest mich -
Es ist so öde geworden;
Der Wind geht still, der Wind geht wild,
Wohl durch dein Schloß im Norden.

Du suchst nun draußen in der Welt
Die Blume in allen Gassen,
Und wirst zum Sterben müd' dabei,
Und deine Wangen erblassen.

Vom Forschen werden die Augen dir trüb,
Und du wirst sie doch nicht finden;
Ihr blauer Schein blieb leuchtend zurück
In tiefen Waldesgründen.

Da, wo ich weinend und träumend bin,
An der verlass'nen Halde,
Da blüht sie Nachts auf meinem Haar,
Im Mondenlicht, im Walde.

IV.
Einst in tiefverschneiten Tagen,
Da der Sturm mit tollem Wehen
Pfadlos Wald und Lande machte,
Wähnt' ich mich in Frühlingsnähen -

Ja, es duftete der volle
Lenz in meinem dunklen Zimmer.
Deine blumenhaften Züge
Lebten ganz von seinem Schimmer.

Deine glückbefang'nen Worte
Waren sanft wie Taubenkosen,
Und die Küsse deiner Lippen
Blühten auf wie Junirosen ...

Plötzlich ward's dem Lenz zu enge
In der stillen, sel'gen Klause.
Und er lief mit keckem Lachen
Weit hinweg von meinem Hause.

"Frühling wird es!" riefen Alle
"Auf der Erde dunklen Gassen!"
Ich allein, ich fühlte anders -
Mich doch hatte er verlassen.

Denn seit mein geliebter Knabe
Mit dem falschen, süßen Munde
Mich zum letzten Male küßte,
Ging der Lenz zur selben Stunde.

V.
Der Waldbach rauscht so wild herein,
Die Winde klagen und toben.
Nun löschen die Sternenlichter aus,
So hat sich der Sturm erhoben.

Er jagt die Wolkenschatten wohl
Über die Sternenflammen -
Es schlägt ob mir die Einsamkeit
Die dunklen Flügel zusammen.

Es ist ringsum so schauerlich still,
Nur der Seele Stimmen wachen;
Mir ist, als ob von ferne her
Dämonen der Tiefe lachen:

"Was wachst du allein? Es ist Alles todt -
Die Zeit fiel selbst in Schlummer;
Im Weltall bleiben lebendig nur
Und unsterblich - du und dein Kummer."

VI.
Gut' Nacht! schon wieder ging ein Tag,
Da du kein Wort zu mir gesprochen.
Mir geht so matt des Herzens Schlag,
Als sei's von Leiden schon gebrochen ...

Ich habe Göttliches gehofft
Von deiner jungen Feierseele.
Nun ist's verlernt - und Nächtens oft
Schnürt's mir wie Todesangst die Kehle.

Noch ist es Tag! noch lebe ich!
Laß doch mein Rufen nicht verhallen!
So oft verging es jämmerlich,
Wie Saaten, die ins Leere fallen ...

Gut' Nacht! komm bald - sonst ist's vorbei -
Ich ruf' dich in allmächt'ger Liebe.
Die ganze Welt liegt doch im Mai -
Was tödtest du denn meine Triebe?

VII.
Du gingest - und ich liebte dich so sehr; -
Du gingest - und du wußtest wohl darum;
Du gingest - und es ward so wunschlos leer -
Mein Herz schrie auf, die Lippe doch blieb stumm.

Was hätten meine Worte auch gethan?
Du schweigst, wenn dich mein Sehnen ruft -
Und dennoch gabst du lustvoll dich dem Wahn,
Als webte lockend um dich Sommerluft ...

Dann redetest du wohl ein grelles Wort
Und küßtest mir in Schwärmerei die Hand,
Sankst auf die Knie und gingst dann weinend fort
Und doch - war Alles nur ein Schattenbrand.

Du sagtest mir, ich sei wie Maiennacht,
Gleich einer dunklen Melodie in Moll,
Und wie ein Stern, der leuchtend angefacht,
Unnahbar wandelt, zarter Reize voll.

Kennst du von jenem Hungernden die Mär,
Der schrie in seiner bittren Herzenspein
Um Brot? und Einer kam dann lächelnd her,
Und gab ihm statt des Brotes einen Stein.

So hungernd läßt auch die Bewundrung mich,
Die du mir kühl aus deiner Ferne zollst,
Indeß mein Herz verlangt heißflehentlich,
Daß du ihm Lebensnahrung geben sollst ...

VIII.
Die Nacht liegt hell auf Afrika,
Es blitzt vom Mond der Nil, -
Und schwere Wogen des heiligen Stroms
Umspielen des Schiffes Kiel.

Des Schiffes Kiel, an dessen Rand
Ein nordischer Jüngling steht -
Der Wüstenwind von drüben her
Um seine Stirne weht.

Die ward von tollen Träumen blaß
Und funkelt unheimlich im Licht.
Goldblonde Locken, gefurchte Stirn -
Ein junges Greisengesicht!

"Und wollt Ihr nicht lächeln, mein junger Fürst?
Seht köstliche Dirnen und Wein!
Und wenn Ihr von beiden berauscht erst seid,
So wiegt Euch mein Saitenspiel ein."

Der's sprach, es war ein Spielmann jung,
Des blonden Fürsten Genoß,
Dem dunkel und männlich der volle Bart
Um Kinn und Lippe floß.

Ein leichtes Blut, ein heißer Sinn,
Der nimmermehr gewußt,
Was in des Andern Seele sich
Verbarg in toller Lust.

Und lachend ging er das Deck hinab
Und brachte ein dunkles Weib -
Das Mondenlicht lief geisterhaft
Um ihren schlanken Leib.

Die schmiegte sich weich in des Fürsten Arm,
Der aber fuhr schaudernd zurück:
"Fahr' hin, Du gleißend Marmorbild,
Mit deinem todten Blick.

Ich küßte einstmals einen Mund,
Auf dessen Lippenrand
Ich glückverblendeter, junger Thor
Eine Seele berührte und fand.

Und seit ich selbst jene Seele verließ,
Seit mich der Mund nicht geküßt,
Verschwenden alle Lippen der Welt
An mir ihr glühend Gelüst.

Und brennt Dein Leib von Lust auch heiß,
Dein Herz ist eisig kalt.
Ich suche die Seele und werde darob
Bei blühendem Leibe alt."

Sie stahl sich zitternd zur Seite hin
Und sah ihn verwundert an;
Und - weil der Blonde sie nicht geküßt,
Schlich sie zum braunen Mann.

Und während sie drunten jauchzen in Lust,
Rothgolden funkelt der Wein,
Da träumt im zitternden Mondenlicht
Der junge Fürst allein.

Es tauchen wie schimmernde Hände bleich
Die Lotosblumen empor,
Und manchmal tönt's wie irrer Ruf
Drüben im Nilesrohr.

Da fährt der arme, reiche Mann
Wie traumgeweckt zurück -
Und Thränen brechen wild hervor
Und dunkeln seinen Blick.

Es geht ihm ein süßes Lied durch den Sinn
Von todtem Jugendglück ...
Er pflückt eine Lotosblume vom Nil
Und - denkt an Deutschland zurück.

IX.
Nun wanderst du von dannen -
Nicht weiß ich Ort und Weg.
Hier gehen dumpf die Lüfte,
Die Rosen zittern am Steg ...

Da drüben hinter der Halde
Da geht dein Schatten hin -
Wie ich wohl in diese Öde
Herübergekommen bin?

Mich lockte deiner Augen
So dunkelgoldner Schein;
Es fielen die schweren Locken
Dir über die Stirn herein.

Die blonden Locken verhängten
Dein wundersames Gesicht;
Das Auge blitzte darunter
Wie wallendes Mondenlicht.

Du hast mich am Wege gelassen,
Dein Singen verhallt im Wind,
Indeß in die Rose am Hage
Still meine Thräne rinnt.

Ich starre ins Haidedunkel -
Ich weiß den Weg nicht zurück -
Und drüben entwandelt langsam
Mit dir - mein Jugendglück.

X.
Ich weiß, du bist ein armer, heimathloser,
Europakranker Mann und du mußt wandern;
Mit dir trägst du den Fluch des ew'gen Suchens,
Und Ruhe find'st du nur im ewig Andern.

Heut dünkt's dich gut, an Frauenlippen hängen,
An zarter Brust, in Rosendüften träumen;
Und morgen, kriegerisch dein Schwert ergreifen
Und dich auf ungezähmten Rossen bäumen.

Und heute eilst du strahlend durch die Feste,
Als lös'te deine Seele sich im Tanze -
Und flichtst mit deinen fieberhaften Händen
Dir luft'ge, wilde Blumen eng zum Kranze.

Und schwärmend kannst du wohl ins Mondlicht blicken
Und zärtlich eine dunkle Blume küssen -
Und morgen dünkt es dich vielleicht wie Possen,
Und du wirst laut darüber lachen müssen.

Dann fliehst du wohl mit furchtgehetzten Mienen
In deines Schlosses allerletzte Zelle,
Und beugst dich über alte Folianten -
- Und draußen rauscht des Lebens reiche Welle ...

Bald scheint ein Spiel dir Ernst - bald Ernst ein Spielen;
Unselig Irren nach dem einzig Wahren!
Heut kriechst du wie ein Wurm im niedern Staube,
Und morgen fliegst du sonnennah den Aaren.

Doch aufrecht durch die blüh'nde Erde gehen,
Und allen Dingen tief ins Auge blicken,
Und in das vollgemessne Glück und Leiden
Die trotz'ge Seele ernst und männlich schicken,

Das hast du nie gelernt, mein armer Knabe,
Und dieses Räthsel wirst du niemals lösen.
Nur ruhevoll entriegelst du die Thore,
Die da umschließen goldner Wahrheit Wesen.

XI.
Was stehst du verträumt am Wüstenrand
Und schaust die Gazelle an?
Du rittest ja zur Jagd hinaus,
Du fremder, nordischer Mann!

Das Thier fliegt eilig und leicht dahin
Wie die Körner vom Wüstenstaub,
Und unter dem fein gehuften Fuß
Zittert das blühende Laub.

Rührt dich die schlanke Rehgestalt?
Der scheue feuchte Blick?
Daß deine Hand den Todespfeil
Noch schaudernd hält zurück?

Du kniest dich lauschend hin ins Rohr -
Es zittert deine Hand.
Mahnt dich des Thieres dunkler Blick
An meines Auges Brand?

Frisch auf, mein Jäger, zu toller Jagd!
Graut dir, mein Lieb, vor Blut?
Du trafst doch schon mit gift'gem Pfeil
In eines Herzens Gluth!

Was zaudert heute deine Hand
In dieser Wüstennacht?
Wenn du doch einst ein bess'res Wild
Todwund und still gemacht ...

XII.
Von ferne schreit grellauf ein Hahn
Aus Dämmerniß der Sommernacht.
Nun ist's um meinen Schlaf gethan -
- Ich bin erwacht - o Gott, erwacht!

Was hatt' ich doch so wilden Traum!
Du starbest - und du liebtest mich.
Ich aber konnt' es fassen kaum ...
Du lebst ja - und ich wein' um dich.

Ach besser, du wärst bleich und todt,
Nachdem dein Herz um meines warb.
Nun aber bist du lebensroth,
Und nur dein schönes Lieben starb.

Du liebst nicht mehr! - und lebst dabei!
Und lachst, - und gehst ins Land hinaus.
Da klingt aufs Neu' der Hahnenschrei
Wie irres Rufen durch mein Haus ...

Ich richt' mich auf - mein Haar ist wirr,
Und wirr von Leid ist auch mein Herz.
Die Haarfluth glätt' ich zitternd mir -
Doch nie entwirr' ich meinen Schmerz.

Von ferne schreit grellauf ein Hahn
Aus Dämmerniß der Sommernacht.
Nun ist's um meinen Schlaf gethan -
- Ich bin erwacht - o Gott - erwacht! -

XIII.
Wenn du zu meiner Seite lächelnd sitzest
Und mir erzählst von deinen langen Reisen,
Wie du im fernen Afrika gewesen,
Wie du gewandelt bist im Land der Weisen;

Wie du dem Leuen frei ins Aug' gesehen,
Wie du gejagt die schlanke Antilope,
Und dir die blasse Stirne bräunlich wurde
In jenem scharfen Sonnenglanz der Trope;

Wie du am Nil geträumt - und in den Bergen
Des Libanon geliebt die dunklen Frauen:
Dann fühl' ich weh und langsam, wie's gekommen,
Daß deine Augen mich so fremd anschauen.

Und daß sie wie verträumt in's Blaue sehen,
Als sehntest du dich ewig fort von hinnen,
Als läge in den Banden fremder Welten
Gefesselt all' dein Fühlen und dein Sinnen.

Du liebst mich - und doch ziehst du sehnend weiter,
Ich weiß es, morgen wirst du wieder gehen.
Du blinder Mann, der fremde Welten suchte,
Ohne die Welt von Glück in mir zu sehen.

Ja, eine Welt liegt neben dir verschlossen,
Nur mußt du kühn die goldnen Riegel sprengen;
Ein Wort verhüllt sie dir; ich sag' es nimmer,
Und müßt' ich dich von meiner Schwelle drängen.

Doch findest du's, dann soll dich's überkommen
Wie Frühlingssturm, wie Zeit im Paradiese;
Dann wirst du jubelnd stille stehn und rufen:
"Das ist die Welt, die ich gesucht, nur diese."

XIV.
Ich sah dich heute Nacht, mein Lieb, im Traume
Auf einem Divan ruhn in üpp'gem Saal.
Du warst so laut und fremd - und deine Züge
Erschienen dennoch schmerzenreich und fahl.

Und um dich floß, wie goldenrothe Wellen,
Ein seidner Vorhang, den der Nachtwind bläht.
Zertret'ne Rosen dufteten am Boden -
Voll Weines leuchtete das Trinkgeräth ...

Die Luft war laut um dich - und schöne Weiber
Umflogen dich, gleich wildem Vogelschwarm,
Es streifte dich wie helle Taubenschwingen
Ihr leicht Gelock, ihr federweicher Arm -

Die Lippen brannten dir, die Hände zittern,
Und du riefst immer noch nach Lust und Wein -
Sie gaben Beides dir, die Sünderinnen -
Und du schliefst satt an ihrem Herzen ein.

Am Boden rollte Gold; die ersten Lichter
Des Morgens fielen seltsam roth darauf;
Da plötzlich scholl im frühen Tagesgrauen
Von fern ein Hahnenruf - und du fuhrst auf ...

Und schaudernd fühltest du, wo du gewesen,
Und wie vergiftet rings umher der Raum.
Du wardst sehr bleich - und wandtest dich zum Gehen -
Und ich erwachte fiebernd aus dem Traum -.

XV.
Ich weiß, du hüllst nur ein Narrenkleid
Lügend um deine Glieder,
Und du singst, um dich zu verspotten nur
So falsche und wilde Lieder.

Du hast geglaubt und hast gestrebt,
Und die Welt hat dich betrogen;
Nun hast Du vom vollen Lebenstrank,
Nur die Bitterniß in Dich gesogen.

Nun willst Du das Weh, das in Dir tobt,
Mit Lüsten wild überschreien.
So kamest Du, seltsam blasser Gesell
In der Freude taumelnde Reihen.

Es zuckt Deine fieberhafte Hand
Manchmal nach Deinem Herzen;
Es steht in Deinem Aug' ein Glanz
Von ungeweinten Schmerzen.

Ach reiß' doch endlich das Lustgewand
Von deiner Seele nieder,
Und wirf die Fratzenmaske hinweg
Und ende die wilden Lieder!

Ich weiß es doch: es lebt in dir
Eine Welt von lichten Gedanken;
Du hast sie mit eigner Hand verwirrt,
Daß sie wie Unkraut ranken ...

Laß' meine stille, liebende Hand
Die arge Verwirrung lösen!
Ich suche die goldensten Blüthen nur
Und ich vernichte die bösen.

Vielleicht, ich finde am Ende auch
Des Glückes schimmernde Blume,
Und die Begrabne entheb' ich sacht
Aus ihrem Marterthume ...

Und wirst du lächelnd und stillerlöst
Die arme Hand mir pressen,
So will ich um diesen Augenblick
Viel Jahre von Weh vergessen!

XVI.
Wo hoch du droben am Meere wohnst,
Das sind gar reiche Säle und Hallen;
Drin leuchtet Marmor und dunkles Gold,
Die schweren, seidnen Vorhänge wallen.

Doch lebt kein Laut und kein Lachen darin -
Unheimlich dröhnen Deine Schritte,
Und manchmal ist's, wie wenn neben dir
Vorüber ein grauer Schatten glitte -

Es ist nun Lenz und im Garten dort
Blühet und duftet der blaße Flieder;
Und du sinnst in das Mondesdämmer hinaus,
Doch die alten Träume leben nicht wieder ...

Die arme kleine Nachtigall,
Dir hat sie ihr Lied vergebens gesungen:
Du stehst so einsam und heimathlos
In den süßen Frühlingsdämmerungen ...

XVII.
Dein Schloß umläuft ein dunkler Wald,
Und dahinter leuchten des Meeres Wellen,
Und du hörst von fern, wenn am alten Fels
Die ruhelosen Wasser zerschellen.

Das Meer und die duftende Haide umher,
Die rauschen und singen in deine Träume,
Und die Sehnsucht und die Einsamkeit
Durchschleichen deine goldenen Räume.

Und die Möven rufen bei Tag und Nacht,
Und der Sturm pocht mahnend an die Thore;
Vieltausendstimmig ruft die Natur, -
Du aber wendest dich ab dem Chore.

Mein blondes Lieb, ich sehe dich,
Wie dein Auge hinausstarrt in die Ferne;
Du suchst in der bangen Oede nach Licht,
Und doch - verloderten längst die Sterne.

Gleichwie ein Falter entgegen dem Strahl
Voll Sehnsucht muß die Flügel breiten,
So flattert deine Seele auch
Um das Märchenlicht der Vergangenheiten ...

XVIII.
Ich habe nie mit dir, mein Lieb, gelebt,
Nur meine Träume sind mit dir gegangen.
Sie haben dich, wie Falter, leicht umschwebt
Und du hast sie im wilden Spiel gefangen.

Doch deine feinen Hände spielen nur.
Ich weiß, wie leicht dir Kraft und Lust ermüden.
Du hältst die Träume nicht - und ohne Spur
Verfliegen sie zu mir herab nach Süden.

Und sie erzählen mir von deinem Schloß,
Und wie so laut vergehen deine Stunden;
Wie stolz du lebst, mein süßer Leidgenoß,
Und wie so heimlich bluten deine Wunden ...

Und wie du über Haid' und Moore jagst,
Als suchtest du verlorne Seligkeiten;
Und wie du Tages lachst und Nächtens klagst,
Und wie sich Stolz und Reue um dich streiten!

O Gott, ich sehe dich - die Nacht ist hell -
Es hat dich aus dem Schlaf emporgerissen -
Und du schreist auf - ein Laut so weh und grell!
Und gräbst dein Antlitz weinend in die Kissen.

XIX.
Wie Siegfried, der den Vogelsang versteht,
Seit er gebadet hat im Drachenblut,
So ward's mit mir, seit du mein junges Herz
Versenkt in des Verrathes Gift und Gluth.

Nun ward mir plötzlich das Geheimniß kund,
Das schmerzlich durch die ganze Schöpfung klingt;
Gleichviel, ob es das Meer, ob Frühlingssturm,
Ob Vogel- oder Menschenmund es singt.

XX.
Hörst du am Bergrand, über den Klüften
Die Geier und die Adler kreischen?
Ich glaube, wie jung Prometheus vor Zeiten,
So wollen sie mir das Herz zerfleischen.

Ach, fliegt hinab in Nebeltiefen,
O, fliegt hinauf in Sonnennähen!
Das ihr bei mir zu üben trachtet,
Das düstre Werk ist längst geschehen.

Nicht Adlerschnäbel, nicht Geierkrallen,
Zwei Hände, zwei geliebte, braune,
Die haben einst mein Herz vernichtet
In einer lenzestollen Laune.

XXI.
(Il naufragar m'é dolce
in questo mare -)
(Leopardi)

Es hastet ein Sturmwind von Nord daher
Und rüttelt die Frühlingswelt.
Nun liegen die Wunder des frühen Mai
Zu Stücken und Trümmern zerschellt.

Flieg auf und flieg weiter, du Frühlingssturm,
Und reiße die Welt in Nacht!
Sie hats nicht durch Qual und durch tausend Jahr
Zu schuldlosem Glück gebracht.

Sie ist noch so bös und so hold und wirr
Als wie einst zu Eva's Zeit -
Sie zahlt noch wie damals ein kurzes Glück
Mit Jahren von Weh und Leid ...

Wo duftend der Garten der Erde lag,
Laß rasen das Meer empor!
Doch eher du Alles in Nichts begräbst,
Flieg' hin an sein Schlossesthor!

Entriegl' es und trag' ihn an meine Brust,
Den hart mir das Leben raubt!
O gönne nur einmal im Tode mir
Das blonde, das sonnige Haupt.

Ich lös' mir das Haar und ich wind es ihm
Ganz enge um Haupt und Hand.
Die Fessel umschlingt den verlornen Mann
Gleich düsterem Todtenband ...

Dann einmal noch schlägt er die Augen auf,
Erschrocken in Seligkeit -
Sein irrendes Herz stirbt an meiner Brust -
Nun magst Du stillstehen, Zeit!

XXII.
Ich messe nicht mehr diese öde Zeit -
Es ist gar lange, seit du mich verlassen.
Nur weiß ich, daß die Stadt im Lenze lag,
Und heute geht der Winter durch die Gassen.

Mein armer Bruder! Winter! Blasser Freund,
Was schleichst du still und abseits in die Thale?
Die Menschen weisen dich von ihrem Heerd -
Ich liebe dein Gesicht, das schmerzenfahle.

Ich lieb' es, wenn mit müdem Sonnenblick
Du Tages her in meine Kammer gleitest,
Wenn Du auf Deinem Nebelroß im Sturm
In öden Nächten durch die Lande reitest.

Und wenn im Walde drauß' und rings im Feld
Viel tausend deiner starren Thränen hängen,
Dann möchte ich mich still, mein blasser Freund,
In deine kalten, weißen Arme drängen.

Der Frühling ließ mich arm. Der Einz'ge ging,
Den ich voll Lebenskraft umfangen hätte.
Gieb mir Vergessen! Mache so mich reich!
Sieh', ich begehre nur ein einsam Bette.

Umfange mich! Sing' mir ein Sturmeslied!
Flicht mir den letzten Kranz von Schneekrystallen!
Kein Tannengrün! - Es mahnt an Weihnachtsglück
Laß eis'ge Thränen auf mein Haupt hinfallen!

Doch, wenn du bis zu meinem Herzen kommst,
Nur langsam wirst du es erstarren können;
Schling' deine kalten Arme fester dann,
- Dort unten glüht ein altes, süßes Brennen ...

XXIII.
Kräfte fühlt' ich in mir, schicksalvolle, -
Gluth, als ob ein Feuerwüthen grolle, -
Lust, mit allem Niederen zu hadern; -
Jugendfülle schwellte meine Adern.

Wie die Kinder nach den Sternen greifen,
Fühlt' ich oft den Wunsch ins Hohe schweifen;
Nach Unmöglichem im Überschwange
Faßt' ich oft in schnellem Jugenddrange.

Paradiesesthore zu entriegeln,
Weisheitsbücher lächelnd zu entsiegeln,
Und die Sagenblume aufzufinden
In des Lebens allerletzten Gründen;

Vom Erkenntnißbaume Weh und Leiden
Stolz zu pflücken und die schweren beiden
Klagelos zu kosten, ohne Thränen,
Und zu tödten jedes kranke Sehnen,

Alles Wundervolle kühn zu nehmen,
Selbst das Wilde mir zum Dienst zu zähmen,
Schien für meiner Pulse feurig Streben
Heiter Bewegung nur und Leben.

Und nun muß ich sehn das große Sterben
Aller Lust in mir; der Kraft Verderben.
Um mein Lachen ist es nun gethan,
Und die Seele hält ein blasser Wahn.

Weil das Götterbild der Jugendliebe
Ward an meiner Kraft zum grimmen Diebe,
Und ich, arm und allen Glückes baar,
Schemen nur von dem bin, was ich war.

XXIV.

Vorrei morir nella stagion dell' anno
Quando l'aria é tiepida - -
(Cognetti)

Es müßte tief im späten Sommer sein,
In seiner allerletzten Vollmondnacht -
Und in den Lüften schliefe noch ein Duft
Von blüh'nden Hecken und von reifem Korn.
Die Wälder schlössen ihrer Stämme Nacht
Zum Purpurdunkel - wie ein fürstlich Grab,
Das auf ein müdes Leben harrt; - und fern
Erklänge eines Wandervogels Ruf ......
Vom Himmel sänke goldne Tropfen leis,
Verirrte Lichter, die von Sternen fall'n -
Und sie verstiebten in die große Nacht ....
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Doch plötzlich bliche wie ein Schatten hin
Das Mondesleuchten und die Sternengluth - -
Denn von den Matten her, vom Waldessaum,
Käm' wandelnd deine stolze Lichtgestalt.
Sehnsüchtig winktest du mit müder Hand -
Es leuchtete dein Blick von Thränen so -
Und du riefst bang: "Sag', was versteckst Du Dich?
In allen Erdengründen sucht' ich Dich!"
Ich aber säh' dich furchtsam lange an,
Ob du ein Herbstgespinnst der Haide seist;
Und langsam rührt' ich Dir an Haupt und Herz -
Doch die erbebten noch von Lebensgluth.
Und ich rief laut: "Du bist es, Du, mein Lieb!
O Gott, so sind wir sehnend uns entfloh'n,
Denn ich auch suchte Dich durch alle Welt;
So hat das Schicksal arg mit uns gespielt." ...
Drauf sagtest du, wie mit entrücktem Ton
Und legtest letzte Blumen mir ins Haar:
"Bist Du vom Wandern auch so sterbensmüd?"
Ich nickte still - du bögest dich herab,
Ein voller Mondstrahl fiel' auf deine Stirn -
Und deine Lippen, die ich jugendlang
Und heiß gesucht, berührten meinen Mund .. -
- - - - - - - - - - - - - - - - - -
Dann aber rief' ich selig in die Nacht:
"Das ist die Zeit, in's Paradies zu geh'n -
Der Himmelsweg ist offen - stirb mit mir!"
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - 

aus: Dichtungen von Alberta von Puttkamer
Leipzig 1885

Collection: 
1885

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  • Es giebt so stille Stunden, wo das Leid,
    Gleichwie das Glück in uns zu schlafen scheinen.
    Wir sind vielleicht zu müde, um zu weinen,
    Zu müde auch vielleicht zu Seligkeit.

    Gleichwie im Schlaf zu hoher Mittagszeit
    Die Waldesfee,...

  • Du weißt, daß du die Sonne bist,
    Die meine Seele bringt zum Blühen;
    Doch birgst du hinter Lenzgewölk,
    In Trotz und Spiel, dein Strahlenglühen.

    Nun steht mein armes Herz weitab,
    Verschmachtend in dem Wolkenschatten,
    ...

  • Die Blume, die ich dir im Garten brach,
    Sie hat im wilden Sturm der Nacht gestanden,
    Und ward zur Morgenzeit in Thränen wach,
    Die erst im heißen Mittaglichte schwanden.

    Sie zittert nur - noch ist ihr Duft nicht todt -
    So leg'...

  • Im Mondesdufte schwimmt rings das Thal -
    Die Wasser rauschen und rinnen;
    Die Bergesfirnen leuchten so fahl -
    Wir wandern schweigend von hinnen.

    Da hinter uns liegt ein helles Haus,
    Drin feiern sie Hochzeit mit Singen -...

  • Sie kamen von Nord und Süden
    Und hatten sich nie gekannt -
    Doch bald umfing die Beiden
    Ein süßes, enges Band.

    Sie haben sich nicht in Worten
    Ihr junges Leiden geklagt;
    In Liedern nur und in Tönen
    Da...