Die Blume, die ich dir im Garten brach,
Sie hat im wilden Sturm der Nacht gestanden,
Und ward zur Morgenzeit in Thränen wach,
Die erst im heißen Mittaglichte schwanden.
Sie zittert nur - noch ist ihr Duft nicht todt -
So leg' ich sie in deine rauhen Hände.
Berühr' sie sacht! laß ihr das Jugendroth!
Bewahre sie vor allzu frühem Ende.
Da sie in Nacht und Morgenstürmen stand,
Und ungebrochen sich zum Lichte sehnte,
Da sie noch, zitternd, Kraft zum Blühen fand
Und lustvoll ihre feinen Blätter dehnte, -
Hat da vielleicht das süße Blumenhaupt
Ein Traum von warmem Glück emporgehalten?
Daß ihr kein Sturm die Wurzelkraft geraubt,
Und ihr kein Blitz den feinen Schaft gespalten?
So mächtig, unverwelkt und voll in Duft
Wächst dir auch meine Seele noch entgegen.
Wohl stand sie oft in Sturm und Winterluft,
Doch duftet sie noch heut' im Blumensegen.
Wohl hängen zitternd viele Thränen dran,
Doch schwinden sie im Mittaglicht der Liebe.
Dann hebt sich ihre Krone himmelan
Und hüllt sich ganz in goldne Lebenstriebe.
aus: Dichtungen von Alberta von Puttkamer
Leipzig 1885