Im Frühlicht gingen zwei Kinder aus,
Der Morgen war nebelgrau -
Es liefen eisige Tropfen Thau's
Wie Thränen über die Au.
Und als sie kamen zum Waldrand hin,
Der Knabe umschlang die Maid;
"Du schaust so müd, und trüb ist dein Sinn,
Doch müssen wir heute noch weit." -
Drauf sie: "Wie brennt es im Kopf mir heiß,
Und doch ist so kalt die Stirn!
Mir ist, als ob ich den Weg nicht mehr weiß,
Und Land sich und Wald verwirr'n ..."
Und er: "Mit Lüsten begann's dereinst,
Drauf kam erst das bittre Leid -
Mein Lieb, wie du heute vor Herzweh weinst,
So damals vor Seligkeit!"
Er hat sie getragen thalauf, thalein,
Ihr Haupt fiel ihm schwer auf die Brust;
Doch fühlt' er sich stolz in seiner Pein,
Die Seele schwoll ihm vor Lust.
Um Liebe sind sie hinausgeirrt,
Die Welt war so kalt und weit -
Von süßer Schuld war ihr Sinn verwirrt,
Ihr Blick von Thränen und Leid.
Ihr triebet sie streng vom Hause fort -
Da suchten sie draußen das Glück.
Sie sahen es leuchten, bald hier, bald dort,
Und griffen sie's, wich es zurück ...
Im Frühlicht gingen zwei Kinder aus,
Der Morgen war nebelgrau -
Es liefen eisige Tropfen Thau's
Wie Thränen über die Au ...
aus: Dichtungen von Alberta von Puttkamer
Leipzig 1885