• [100] An meine Lieder.

    Seyd, geliebte kleine Lieder,
    Zeugen meiner Fröhligkeit;
    Ach sie kömmt gewiß nicht wieder,
    Dieser Tage Frühlingszeit.

    5 Bald entflieht der Freund der Scherze,
    Er, dem...

  • An meine Lieder.

          Verfließet, vielgeliebte Lieder,
    Zum Meere der Vergessenheit!
    Kein Mädchen sing euch lieblich wieder,
    Kein Jüngling in der Blüthenzeit.

    5       Ihr sanget nur zu meiner Lieben,
    Nun spricht sie meiner Treue Hohn.
    Ihr war’t in’s Wasser eingeschrieben,
    So fließt denn auch mit ihm davon.

  • [67]
                    An meinen Brun.

    Vor der Geburt meines zweiten Kindes.

                         (1786).

    Che altro ch’un sospir breve e la morte?[1]

    ...
  • Jüngst erst fragtest du, ob meinem Herzen
    Näher läge brauner Locken Glanz?
    Ob ich fröhnte blonder Mädchen Scherzen?
    Ob ich beyden wände gleichen Kranz?
    5 Schwer ist hier die Wahl! – Auf Ida’s Höhen,
    Hat schon blind sich Paris fast gesehen;
    Und ich armer später Enkel wär so dreist,
    Noch zu richten über schöner Formen Geist? –

         Doch,...

  • [77]
    An meinen Mann auf der Reise.

          1788.

    Laut heulet der Sturmwind
         Im luftigen Haupt
    Der zitternden Espe –
         Es brausen die Wogen
    5 Ans zackigte Ufer,
         Weit...

  •      Siehst du die Pomeranze?
    Noch hängt sie an dem Baume,
    Schon ist der März verflossen,
    Und neue Blüthen kommen,
    5 Ich trete zu dem Baume
    Und sage: Pomeranze,
    Du reife Pomeranze,
    Du süße Pomeranze,
    Ich schüttle, fühl’, ich schüttle,
    10 O fall' in meinen Schooß!

  • An unsre Dichter.

    Des Ganges Ufer hörten des Freudengotts
         Triumph, als allerobernd vom Indus her
              Der junge Bacchus kam, mit heilgem
                   Weine vom Schlafe die Völker weckend.

    5 O weckt, ihr Dichter! weckt sie vom Schlummer auch
         Die jetzt noch schlafen, gebt die Gesetze, gebt
              Uns Leben, siegt, Heroen!...

  • Andenken.
    Athmet von Lüftchen bewegt, die Linde mit stillem Gesäusel,
         Wähn’ ich, es beb’ um mich, leise dein zärtlicher Laut.
    Seh’ ich von fern ein Gewand, an Farbe ähnlich dem deinen,
         Zuckt mir ein lieblicher Schreck schauernd durch Mark und Gebein.
    5 Zeichnet mit Rosengewölk der Tag die beginnende Laufbahn,
         Stralet der Aether so blau,...

  •      O schönes Mädchen du,
    Du mit dem schwarzen Haar,
    Die du an’s Fenster trittst,
    Auf dem Balcone stehst!
    5 Und stehst du wohl umsonst?
    O stündest du für mich
    Und zögst die Klinke los,
    Wie glücklich wär’ ich da,
    Wie schnell spräng’ ich hinauf!

  • [92]
    Annette an ihren Geliebten.

    Ich sah wie Doris bey Damöten stand,
    Er nahm sie zärtlich bey der Hand;
    Lang sahen sie einander an,
    Und sahn sich um, ob nicht die Aeltern wachen,...