Pollice verso

Stolz tritt er in die Schranken,
Der lockige Barbar,
Kein Zucken oder Schwanken
Der Muskel und Gedanken,
So keck sein Aug’ und klar!

Noch niemals unterlegen!
Ganz Rom kennt seine Art:
Bald tückisch, bald verwegen,
Doch immer überlegen,
Sein Arm wie Stahl so hart.

Er ist nur Gladiator
Und blutig sein Gewinn,
Doch heut’ ein Triumphator,
Denn Roma’s Imperator
Verlor sein – Weib an ihn!

Dein kurzer, fester Nacken,
Dein krausgewelltes Haar,
Die Art den Feind zu packen
Und fühllos einzuhacken,
Gewann sie dir, Barbar!

Die königlichen Glieder
Vom Purpur stolz umwallt,
Schaut sie auf dich hernieder,
Kaum zucken ihre Lider,
So herb ihr Blick und kalt.

Du aber wardst im Dunkel
Der Nacht von ihr umarmt,
Kennst ihres Aug’s Gefunkel –
Barbar, im sünd’gen Dunkel
Bist du an ihr erwarmt! ...

Und schon beginnt das Ringen –
Hab’ Allzusich’rer Acht
Und brauche deine Klingen,
Du mußt den Feind bezwingen,
So lang dies Weib dir lacht!

Wie blitzt es auf und nieder,
Sein blankes, kurzes Schwert!
Wie prächtig seine Glieder
Im steten Hin und Wider –
Er war des Preises werth!

Die Arme die behenden,
Sie schwellen ihm vor Kraft;
Wie zuckt’s um seine Lenden
Beim steten Dreh’n und Wenden,
Ganz Muth und Leidenschaft.

Und nun – nun wird er siegen:
Ein Hieb, dann ist’s gethan!
Der Andre muß erliegen
Schon holt er aus – da fliegen
Die Blicke ihm hinan;

Zu ihr, die lechzend während
Des Kampf’s sich vorgebeugt
Und nun, das Aug’ begehrend
Geöffnet, ihn verzehrend
Ihr heiß Verlangen zeigt.

So lohten ihre Blicke
In jener schwülen Nacht! –
Da siegt des Gegners Tücke,
Mit blutendem Genicke
Wird er zu Fall gebracht.

Und kalt des Schwertes Spitze
Auf seine Brust gestellt,
Verbeugt sich vor dem Sitze
Des Cäsars Jener: „Blitze
Oder schone, Herr der Welt!“

Doch keck blickt er nach oben,
Der lockige Barbar,
Nun wird sie sich erproben –
Wenn sie die Hand erhoben,
Krümmt Keiner ihm ein Haar!

Die feisten Senatoren,
Sie gönnten’s ihm wohl baß:
Den Schlemmern, kahlgeschoren,
Auf üppigen Emporen,
Wär’s ein – Verdauungs-Spaß!

Und Vesta’s Jungfrau’n wieder,
Sie kämpften schon aus Neid
Des Mitleids Stimme nieder:
Nicht blühen solche Glieder
Für ihre Einsamkeit!

Doch sie, die ihn umfangen – –
Und wieder fliegt sein Blick
Zu ihr, die dort voll Prangen
Sein Hoffen und Verlangen
Und heut’ auch – sein Geschick!

Wie könnte sie ermatten,
Für ihn, um ihn zu fleh’n?
Schon beugt sie sich zum Gatten –
Nun lächelt sie – kein Schatten
In ihrem Blick zu seh’n;

Und nun – ha schwindelnd wenden
Des Opfers Augen sich –
Mit ihren eignen Händen
Befiehlt sie kalt zu enden,
Und jäh trifft ihn der Stich;

Ein Zucken und ein Röcheln –
Ganz Rom heult wie verzückt!
Sie läßt sich Kühlung fächeln
Und lacht – es ist das Lächeln,
Das gestern ihn beglückt....

Collection: 
1892

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Zwei große Menschen schritten diese Pfade
Und oft steh'n Beide jäh mir vor dem Sinn:
Tasso, der Dichterfürst von Gottes Gnade,
Und Friedrich  Nietzsche .......

Leicht neigst du das Haupt und auf ernster Stirne
Thront gebietend dir der Vollendung Höchstes:
Edle Menschenanmuth mit Götterwürde
Machtvoll sich einend!

Seiendes verschmilzt so in deinem Wesen
Mit dem Götterdrang, der von Ewigkeit her
Mystisch sich...

Wie feuerflüssig Sonnenlicht
Fühl ich’s durch’s Herz mir rinnen –
Ich forsche nicht, ich klage nicht,
Will träumen nur und sinnen!

Wie diese Zauberfäden mir
Des Willens Kraft umspinnen,
So eng, so kosig und so wirr –
Da giebt es kein Entrinen...

Wack’rer Mann! Schon früh am Morgen
Öffnet er die Ladenthür,
Räumt, als trüg’ er schwere Sorgen,
Keuchend sein Geräth herfür:
Erst den Dreifuß, dann die Zange,
Ahle, Schusterkneip und Zirn,
Oft auch steht und sinnt er lange,
Oder reibt sich...

Vor uns her
Trottet der Führer: schwatzend
Und wiederkauend, ein kläglich-drolliger Staarmatz,
Den Noth und Hunger Weisheit gelehrt!
Ich aber –
Ich lausch’ ihm nicht: was sollen mir Namen, wo
Das Schicksal riesengroß sich eingezeichnet,
Und...