Stimme in der Wüste

Sie segeln zum verhängnißvollen Hafen,
     Denn ihnen ist des Herrn Geheiß erschollen,
     Zum Port, in dem die Weltgeschicke schlafen.
Und ob sie selbst, ob die sie sandten, grollen
     Dem, was sie thun – die Schlafenden zu wecken
     Gebeut der Herr, und fragt nicht, ob sie wollen.
Und wie sie zögern noch, im wirren Schrecken
     Vor dem, was sie gewagt, doch nicht ersonnen,
     Und feilschen möchten mit des Himmes Zwecken,
Da hat ein dumpfer Sclav die Schlacht begonnen,
     Ein Sclav deß, der dem Untergang verfallen –
     O Macht der Mächt’! o Licht des Lichtes Bronnen!
Ein dumpfer Sclav – und Kriegesrufe schallen,
     Und Donner rasseln tausend, abertausend,
     Und Blitze sprühn aus brüllenden Metallen,
Durch stolze Schiffe, bald durch Trümmern sausend.
     Schon ist’s vollbracht. Auf Tod und Wracke blicken
     Die Sieger, ob dem eignen Sieg ergrausend.
Nicht ist’s ihr Werk; sie dienten den Geschicken,
     Ihr, der Gewalt, der Herrin der Gewalten,
     Und sie wird, was ihr ferner recht dünkt, schicken.
Sie hat gesät, und wird den Keim entfalten,
      Und hoch zum Baume wird er sich erheben,
     Denn sie zertrümmert nur, um zu gestalten.
Ihr, die da ewig lebt, gefällt nur Leben;
     Sie läßt im Grab das Todte Ruhe finden,
     Und neuer Schöpfung seine Stoffe geben.
Weh, weh den armen, unglücksel’gen Blinden,
     Die selbst schon halb erstorben, noch die Leichen,
     Die Pestqualm hauchen, jammervoll umwinden,
Und ihnen Odem einzuhauchen keichen.
     Gestorben, unaufweckbar sind die Todten,
     Und Tod naht, wie den Menschen, so den Reichen.
Zu leben hat der Himmel euch geboten,
     Dieweil ihr lebt, und Leben zu verbreiten,
     Und Todtes zu beseelen euch verboten.
Und ihr wollt frevelnd mit dem Himmel streiten?
     Wollt halten, wollt zurückziehn, was vergangen,
     Indessen rastlos vor die Stunden gleiten?
O euch befällt ein tief geheimes Bangen,
     Indem ihr trotzt in thörichter Empörung,
     Und schauernd ahnt ihr, was euch selbst verhangen.
Doch stärker, als das Graun, ist die Bethörung;
     Ihr haltet fest an ihr und regt die Hände
     Gar ämsig fort zur eigenen Zerstörung.
Ihr wähnt, es sey die große Schlacht zu Ende,
     Ihr wähnt, daß eure List und euer Klügeln
     Zum Leben noch des Todten Fäulniß wende.
Da braus’t das Schicksal her auf Sturmesflügeln,
     Und stürzt zu ihren Todten hin die Schwachen,
     Die sich erfrechten, seinen Flug zu zügeln.
Doch vorwärts unaufhaltsam trägt’s die Wachen,
     Die Weisen, die des Höchsten Stimme hören
     Im Frühlingssäuseln und im Wetterkrachen;
Die nimmer sich zu eitlem Stolz bethören,
     Die sich der ew’gen Weltenordnung fügen,
     Nie gegen Gottes Rathschlag sich empören;
Nie hemmen Gottes Zeit in ihren Flügen,
     Nie spornen ihren Schwung zu wilder Eile,
     Stets dem, was Gott durchs Herz erfordert, gnügen.
Es treibt sie rastlos fort zu ihrem Heile,
     Es treibt sie fort, auch ob sie selbst nicht wollten,
     Und Jedem wird verdienter Lohn zu Theile.
Blickt nur zurück! wie auch die Jahre rollten,
     Kein Reich hat sich verdienter Straf’ entrungen,
     Und jedem ward das wackre Thun vergolten.
Schon naht der Sturm, deß erster Laut verklungen
     Im Hafen dort! das Zürnen Gottes wittert,
     Doch durch das Zürnen flöten Liebeszungen.
Ihr, die ihr frevelnd euch empört, erzittert!
     Doch ihr, Gerechte, stehet festes Muthes
     Ob Schloß und Thurm auch um euch kracht und splittert!
Euch sprießt das Leben aus der Saat des Blutes;
     Der Weltengeist ist eures Pfads Begleiter,
     Und führt, dem Ziele zu des echten Gutes,
Euch froh und frei mit seiner Menschheit weiter.

Collection: 
1834

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