Müde

Ich zog auf fernen Wanderungen
An manchem stillen Ort vorbei,
Wo mich’s mit Allgewalt durchdrungen,
Wie selig dort die Ruhe sei.

Mit hohen Wipfeln sah ich ragen
Den Föhrenwald am Felsenhang;
Wie leiser Gruß aus fernen Tagen
Der Wind durch seine Kronen klang.

Ein Wasser ging in seinem Grunde –
Es weilte still mein Bild darin –
Von Stein zu Stein, von Stund’ zu Stunde
Mit ewig gleichem Sang dahin.

Und rings zersprengte Felsenmauern
In altbemooster Einsamkeit –
Auf einem Felsblock sah ich kauern
Ergraut und stumm die tote Zeit.

Ich zog auf fernen Wanderungen
An manchem stillen Ort vorbei,
Wo mir die Sehnsucht vorgesungen,
Wie selig dort die Ruhe sei.

O wie bescheiden wir uns stille
Mit jedem jungen Traum zuletzt!
Mich hat des Schicksals harter Wille
Durch Angst und Not und Qual gehetzt.

Nach aller Sorgen Gift und Kummer,
Nach dieses Lebens Schein und Trug –
Zur letzten Rast, zum langen Schlummer
Ist jeder Winkel gut genug.

Auf lautem Markt, im Tagesscheine
Geht mir’s verlangend durch den Sinn:
Ich legte mich auf diese Steine,
Wie gern! zur letzten Ruhe hin.

Collection: 
1907

More from Poet

  • (Die Geliebte spricht:)

    Ach, mit gepreßtem Herzen
    War ich aufs Lager gesunken;
    Ich hatte heimlich-verschwiegen
    Den Kelch des Leids getrunken.

    Ich wähnte das Glück verloren;
    In bangen Zweifelstunden...

  • Mit meinem Lieb durchstrich ich deutschen Wald,
    Und froher Rausch aus grünem Licht und Duft,
    Aus Windes-Orgelklang und Bergesluft
    Ergriff die freudeoffenen Herzen bald.
    O Kuß in eines Walds geheimstem Grund!
    Fern oben über...

  • Rings umschattet uns schweigendes Waldesgrün;
    Atmende Dämmrung hebt sich sacht zu den Wipfeln;
    Nur durch die Lichtung glänzt und glitzert
    Des Stromes rinnender Spiegel.
    Da faßt du mich lächelnd bei beiden Händen
    Und fragst mich,...

  • Du sollst mir nicht so scheu bewundernd,
    So staunend in die Augen sehn;
    Nicht soll mein Bild so übermächtig,
    So stolz vor deiner Seele stehn.

    Du sollst nicht wähnen, daß mein Denken
    Sich frei im reinen Lichte wiegt,...

  • Oft wenn am Fenster glüht die Lampe
    Und du mir winkst den Scheidegruß,
    Weilt unten noch im stillen Garten,
    Gebannt durch Zaubermacht, mein Fuß.

    Dann trifft mich noch aus deinen Augen
    Ein Blick so wundersam und tief,...