Bitte

Du sollst mir nicht so scheu bewundernd,
So staunend in die Augen sehn;
Nicht soll mein Bild so übermächtig,
So stolz vor deiner Seele stehn.

Du sollst nicht wähnen, daß mein Denken
Sich frei im reinen Lichte wiegt,
Daß über jegliche Versuchung
In mir ein starker Wille siegt.

Ich bin zu dir, o Kind, gekommen,
Um dir ins süße Angesicht
Mit treuen Worten zu bekennen,
Was mir an hohem Wert gebricht.

Was ich gewonnen und verloren
In der verrauschten Tage Spiel,
Du sollst es wissen - und erkennen,
Wie oft ich strauchelte und fiel.

Und wenn ich alles dir bekenne,
Dann bebe nicht mehr stumm zurück,
Als träfe dich in meiner Liebe
Ein ewig unverdientes Glück.

Vielmehr, wenn still aus meinen Augen
Ein Tropfen rinnt auf deine Hand,
So denke, daß in deinen Armen
Ein irrend Herz den Frieden fand.

Collection: 
1902

More from Poet

(Die Geliebte spricht:)

Ach, mit gepreßtem Herzen
War ich aufs Lager gesunken;
Ich hatte heimlich-verschwiegen
Den Kelch des Leids getrunken.

Ich wähnte das Glück verloren;
In bangen Zweifelstunden...

Mit meinem Lieb durchstrich ich deutschen Wald,
Und froher Rausch aus grünem Licht und Duft,
Aus Windes-Orgelklang und Bergesluft
Ergriff die freudeoffenen Herzen bald.
O Kuß in eines Walds geheimstem Grund!
Fern oben über...

Rings umschattet uns schweigendes Waldesgrün;
Atmende Dämmrung hebt sich sacht zu den Wipfeln;
Nur durch die Lichtung glänzt und glitzert
Des Stromes rinnender Spiegel.
Da faßt du mich lächelnd bei beiden Händen
Und fragst mich,...

Du sollst mir nicht so scheu bewundernd,
So staunend in die Augen sehn;
Nicht soll mein Bild so übermächtig,
So stolz vor deiner Seele stehn.

Du sollst nicht wähnen, daß mein Denken
Sich frei im reinen Lichte wiegt,...

Oft wenn am Fenster glüht die Lampe
Und du mir winkst den Scheidegruß,
Weilt unten noch im stillen Garten,
Gebannt durch Zaubermacht, mein Fuß.

Dann trifft mich noch aus deinen Augen
Ein Blick so wundersam und tief,...