Lieb' und Traum

Rings umschattet uns schweigendes Waldesgrün;
Atmende Dämmrung hebt sich sacht zu den Wipfeln;
Nur durch die Lichtung glänzt und glitzert
Des Stromes rinnender Spiegel.
Da faßt du mich lächelnd bei beiden Händen
Und fragst mich, halb scherzend, halb zürnend:
Garstiger Schweiger, was träumst du? -
Was ich träume, fragst du mich, Mädchen?
Hörtest du nicht den leise flötenden,
Lieblich lockenden Ton der fernen Nachtigall?
Sanft zuerst wie ein Hauch, dann schwellend und endlich verklingend;
Und der Ton, wie er sanft erschwoll und zitternd verklang,
Nahm mich hinweg in sinnendes Träumen. -
Still war alles. -

Da kam ein Wehen von den Wipfeln der Bäume,
Und silbern blitzte des Stroms erzitternder Spiegel.
Doch balde, bald versank das silberne Raunen
Und ließ mich drüben allein am Ufer der Träume.
Da traf mich dein Wort wie der Heimat Stimme -
Da schau ich nun dir in dein liebliches Antlitz,
Blick in dein helles, Unschuld lächelndes Auge -
Sieh, und das war mein Traum:
O, daß dies Glück nicht verhallte wie Nachtigallsang,
Nicht dahinstürbe wie Wellengeflüster!

Collection: 
1902

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