Erstes Fragment

Wie am Abendhimmel die goldenen Wolken dahinfliehn,
     Wie des Zephyrus Hauch lispelt im zitternden Busch,
Wie die Saaten sich beugen und heben, wie freundliche Blumen
     Steigen, vom Lenze gelockt, aus dem belebten Gefild,
Wie sich die Holde bewegt, mit leichtem freundlichem Anstand,
     So ertöne, Gesang, lieblich ertöne von ihr.
Ihr allein nur gefalle, wie du ihr einzig geweiht bist,
     Wie dich ihr schmeichelnder Laut rief aus der liebenden Brust.
Singe der Liebe Beginnen, das zarte, schüchterne Schmachten,
     Das mir, wie Rieseln des Quells, füllte mit Wohllaut das Herz,
Singe, wie nach und nach zum mächtigen Strome sie anwuchs,
     Der das fühlende Herz selber dem Fremden bewegt,
Wie er mich Glücklichen nun auf seinen Fluthen dahin trägt,
     Die bald spiegelhell schlummern im bunten Gefild,
Bald sich tosend ergießen, am Felsenriffe sich brechend —
     Wie sich des Schaumes Getös wieder in Ruhe verliert.
Nimmer vermindert sich der Wellen Reichthum — am fernen
     Ufer nimmt ihn einst auf das unendliche Meer.
Keine Freude vergiß, die mir Cytheräus gesendet,
     Keine, denn alles ist groß, was uns die Götter verliehn.
Athme der Wonne Gefühl, und flöß’ es jeglicher Brust ein,
     Doch sie fühlet allein, wie sie den Sänger beglückt.
In uns glühet die Sonne, der Iris Bogen erscheint nur
     Auf der düsteren Brust, die nicht die Liebe entwölkt;
Bald verschwinden die Farben, die wunderbaren, doch ewig
     Wandelt in himmlischer Pracht Phöbus, der hehre, daher.
In dir lodere hoch des Genius heilige Flamme —
     Heilig sey sie, und stets sey ihr das Höchste verhüllt.
Immer das Lieblichste wird von waltendem Dunkel verborgen,
     Philomela’s Lied tönet aus schattigem Busch,
Süßes Lispeln des Quells entgleitet dem Dunkel des Felsen,
     Und das Taubenpaar girret im Laube versteckt.
So in ambrosische Nacht verhülle der Liebe Geheimniß,
     Daß es, verborgen dem Sinn, sey nur vom Herzen belauscht.

Collection: 
1804

More from Poet

  • Boreas hatte getobt, mit ehernem Fittig gebrauset,
         Daß die Erde gebebt, daß sich die Völker entsetzt,
    Aber ihn hörte nicht Natur, im Schlummer erstarret,
         Fester über sich zog sie nur die Decke von Eis.
    Nicht der Gewalt wich sie, sie harrte des Rufes der...

  • Sprich, du liebliche Freundinn, wer wieß dir die Pfade des Rechten,
         Die du freundlich und leicht wandelst mit sicherem Tritt?
    „Geh’ ich die Pfade des Rechten? Ich weiß es nicht, aber es freut’ mich,
         Daß mein Walten und Thun recht dir und löblich erscheint.“...

  • Wenn ihr einst den Jüngling wieder sehet,
    Oede Fluren, den mein Herz erkor,
    O dann tritt der holde Lenz hervor,
    Blumen sprießen, wo sein Odem wehet.
    Rings umher
    Suchet ihn mein Blick –
    Ach, und er
    Der Geliebte kehret nicht zurück.
         ...

  • Ist die Zeit auch leicht und flüchtig,
    Mag sie kommen, mag sie gehn,
    Wird doch das, was echt und tüchtig,
    In der flüchtigen bestehn.
    Sey’s ein Werk in Erz gegründet,
    Sey’s ein Hauch, ein leichter Schall;
    Immer blitzt es, trifft und zündet,
    Wirkt...

  •      Hört die überweisen Dummen,
    Wie sie maulen, wie sie brummen:
    Holdes Lied sey hohler Klang.
    Dafür wird die Langeweile
    Dem unsel’gen Volk zu Theile,
    Mit Gesichtern ellenlang.

         Hört die überdummen Weisen
    Feines Spintisiren preisen,...