Ein licht- und duftverklärter Sonnentag

Ein licht- und duftverklärter Sonnentag
Du Riesenbau, den ich auf deinen Mauern
Verträumt, läßt heute noch mein Herz erschauern,
Erregt noch heute meiner Pulse Schlag:

In wolkenloser Bläue wölbt sich weit
Der Himmel über dir und Roma’s Zinnen,
Von Zittersttahlen flirrt es außen, innen
Und ringsum – eine gold’ne Seligkeit!

In meiner Brust auch wird es plötzlich laut,
Wie süße Stimmen längst begrab’ner Wonnen,
Und Sterne glaube ich zu seh’n und Sonnen,
Die früher nie mein trübes Aug geschaut...

Wie heilig dieses Sonnentages Gluth!
Sie läßt so ahnung-süß mein Herz erschauern,
Verklärt selbst dich und küßt von deinen Mauern
Mit warmem Glanz die Frevel und das Blut;

Und wo ihr gold’ner Strahl am hellsten lag,
Erweckte sie ein Blümchen – o Entzücken!
Zwar schwankt’s auf losem Stein, doch muß ich’s pflücken,
Es hat ja Theil an diesem Sonnentag!

An ihm und Allem, was mein Herz empfand,
Und hier genoß – ja Holde, laß dich brechen,
Noch fern’ sollst du von diesem Tag mir sprechen,
Und siegesfroh streck ich danach die Hand –

Da bröckelt aus der Mauer sich der Stein
Und rollt zu andern Trümmern in die Tiefe –
Dumpf schlägt er auf – nur aber ist, als riefe
Des Echo’s Hohn: „Dies mag ein Bild dir sein!“

Collection: 
1892

More from Poet

  • Zwei große Menschen schritten diese Pfade
    Und oft steh'n Beide jäh mir vor dem Sinn:
    Tasso, der Dichterfürst von Gottes Gnade,
    Und Friedrich  Nietzsche .......

  • Leicht neigst du das Haupt und auf ernster Stirne
    Thront gebietend dir der Vollendung Höchstes:
    Edle Menschenanmuth mit Götterwürde
    Machtvoll sich einend!

    Seiendes verschmilzt so in deinem Wesen
    Mit dem Götterdrang, der von Ewigkeit her
    Mystisch sich...

  • Wie feuerflüssig Sonnenlicht
    Fühl ich’s durch’s Herz mir rinnen –
    Ich forsche nicht, ich klage nicht,
    Will träumen nur und sinnen!

    Wie diese Zauberfäden mir
    Des Willens Kraft umspinnen,
    So eng, so kosig und so wirr –
    Da giebt es kein Entrinen...

  • Wack’rer Mann! Schon früh am Morgen
    Öffnet er die Ladenthür,
    Räumt, als trüg’ er schwere Sorgen,
    Keuchend sein Geräth herfür:
    Erst den Dreifuß, dann die Zange,
    Ahle, Schusterkneip und Zirn,
    Oft auch steht und sinnt er lange,
    Oder reibt sich...

  • Vor uns her
    Trottet der Führer: schwatzend
    Und wiederkauend, ein kläglich-drolliger Staarmatz,
    Den Noth und Hunger Weisheit gelehrt!
    Ich aber –
    Ich lausch’ ihm nicht: was sollen mir Namen, wo
    Das Schicksal riesengroß sich eingezeichnet,
    Und...