Die Madü-Maränen

     Bei Stargardt, im treuen Pommerland,
Da liegt ein See, Madü genannt,
Drin leben für reicher Leute Tische
Gar leckerhafte feine Fische,
Die man Madü-Maränen heißt.
Sie sind nur diesem Wasser eigen,
Und hingebracht vom bösen Geist,
Wie? das soll bald sich deutlich zeigen.

     Ein Bischof lebt’ in jener Stadt
Fromm, heilig gar, alt, lebenssatt,
So pflegt’ er von sich selbst zu sagen.
Doch wer, wenn er bei Tische saß,
Dem Heiligen zusah, wie er aß,
Mit überschwenglichem Behagen,
Wie, wenn er die Kiefern in gieriger Hast
Bewegte, des Angesichts Muskeln strotzten,
Wie ganz verzückt, unbeweglich fast,
Gradaus die schwimmenden Augen glotzten,
Der fürchtete vom Gottseybeiuns
Für diesen Herrn noch böse Streiche,
Und sprach bei sich: Du armer Duns,
Du bist noch fern vom Himmelreiche.

      In Wahrheit, er dacht’ am Hochaltar
So wie bei Tische – und im Talar,
So wie im Schlafrock – beim Sacramente,
So wie zu Roß – an Schnepf’ und Ente
Weit öfter als an Gottes Wort:
Ja, selbst im Traume noch aß er fort.
Und nicht als Esser nur – nicht minder
Hatt’ er als trefflicher Speisen Erfinder
Sich schon mit großem Ruhme bewährt.
Oft stand er drum in der Küchenschürze,
Mit Messer und Zang’ und Löffel bewehrt,
Sehr ämsig beschäftigt am Feuerheerd
Und mischte Trüffeln, Zitronen und Würze.
Doch wie’s dem trefflichsten Künstler geht,
Dem ein Ideal vor der Seele steht –
Was er durch Musengunst erreiche,
Stets scheint es, als ob es weiter entweiche –
So unserm Bischof. – Er fühlt am Gaum,
Denn die Seele saß ihm an diesem Flecke,
Die Ahnung, noch geb’ es höh’re Geschmäcke,
Und was er geschmeckt, sey Vorschmack kaum
Der wahren Gaumes-Seligkeiten.
Drum sann er im Wachen, wie im Traum,
Sich solche Wonnen zu bereiten.

     Ein Mönch war dort zur selben Zeit,
Begabt mit großer Gelehrsamkeit,
Der mit geübter zierlicher Feder
Auf Esels- oder Schweine-Leder
Der alten Klassiker Weisheit schrieb,
Und sich damit die Zeit vertrieb;
Der saß einmal beim Bischof zu Tische,
Und gab bei einem großen Fische,
Der eben auf der Tafel erschien,
– Ein Zander war es aus Berlin –
Ein Zeichen von leckerhaftem Erstaunen.
Doch wie man den Fisch auf die Tafel gestellt,
Da ward auf einmal von übeln Launen
Dem Bischof die ganze Lust vergällt.
Er sprach mit schmerzlich quälendem Sehnen:
„Noch feinere Fische giebt’s in der Welt,
Und ich“ – hier fühlt’ er im Auge die Thränen –
„Weiß nicht, wie sie heißen, wo man sie erhält?“
Hier begann der Mönch sich zu rücken, zu dehnen,
Von gährender Wissenschaft angeschwellt,
Und platzte heraus: „Das sind die Muränen,
Denn diesen gaben die Römer den Preis!“
Da wird dem Bischof kalt und heiß,
Und er bestürmt den Mönch mit Fragen,
Und dieser eilt, ihm Alles zu sagen,
Was er weiß, und was er nicht weiß.
Allein was kann das Alles frommen?
Er hört, wie trefflich sie einst geschmeckt,
Doch wo sie jetzo zu bekommen,
Das wird vom Mönch ihm nicht entdeckt.
Drum entweicht der Schlaf von des Bischofs Lager,
Er irrt bei Tage wie träumend umher,
Und wird im Kurzen blaß und mager,
Denn nichts reizt seine Eßlust mehr.
Stets quält ihn ein tiefes peinliches Sehnen,
Stets klingt’s ihm im Herzen: Muränen! Muränen!

     Und einst – es war eine Frühlingsnacht,
Bei welcher in sehnenden Gemüthern
Der Drang nach überschwenglichen Gütern
Mit doppelter Gewalt erwacht,
Die zu hohen Liedern den Dichter begeistert,
Wo die Liebe sich jedes Herzens bemeistert.
Der Vollmond schwamm in silberner Pracht
Durchs Meer der reinen himmlischen Bläue.
Es schien, als ob er der Erde sich freue,
Als saug’ er der Blüthen balsamischen Duft,
Als kühl’ er das Anlitz in schmeichelnder Luft,
Als lausch’ er dem Liede der Nachtigallen,
Das aus des Laubdachs schaurigen Hallen
In Jubel und Klage wechselnd erscholl –
Da fühlte der Bischof das Herz sich so voll;
Ihm ging all sein vergangnes Schmecken
Am Munde vorüber, wie ein Traum,
Doch Wild und Fisch von den besten Geschmäcken
Erschienen als wesenloser Schaum.
Nur weiten, nie auszufüllenden Raum
Glaubt’ er im Munde zu entdecken.
So rief er, seiner noch mächtig kaum,
Wie ein schwärmender Dichter mit tiefem Grame
Nach einer niegesehenen Dame:
„Muränen! Muränen! o theurer Name
Voll bitterer Wonnen und süßer Qual,
O könnt’ ich nur ein einziges Mal
Durch euer liebliches Fleisch mich trösten!
Selbst sieden wollt’ ich euch oder rösten;
Ich wollte mit eifrigstem Bemühn
Euch ehren durch die trefflichsten Brühn.
Oft ist mirs, als hätt’ ich euch zwischen den Zähnen,
Als quöll’ im Mund mir der liebliche Saft,
Doch beiß’ ich zu, o Muränen, Muränen!
Dann seid ihr plötzlich dem feurigen Sehnen,
Der Umarmung der Zung’ und des Gaumens entrafft.
O würde gestillt mein unendliches Streben,
Fürwahr, ich wollte mich gern dafür
Mit Leib und Seele dem Teufel ergeben!“

     Da öffnet sogleich sich leise die Thür,
Ein stattlicher Herr tritt höflich ins Zimmer,
Umstrahlt von mattem, bläulichem Schimmer,
Doch sonst gefällig, zierlich und nett.
Er trug auf dem Haupt ein rothes Barett,
Wie heut noch unsere Domherrn tragen,
Mit einer Hahnenfeder darauf.
Der Mantel, über die Schultern geschlagen,
War schwarz und that am Busen sich auf,
Und wies ein Koller von gelber Seide,
Sonst aber zeigt’ er nichts vom Kleide,
Indem er in Falten zum Boden ging
Und als ein Schleier die Füß’ umhing.

      Er sprach – und seine Töne waren
So fromm und süß, so lind und fad,
Als käm’ er auf allernächstem Pfad
Vom allermodernsten Zion gefahren –
„Hochwürdiger Herr, Sie riefen – ich bin
Schon da, und Ihres Winks gewärtig,
Denn immer bin ich zu dienen fertig,
Und fliege hier und dorten hin,
Wo redliche Leute mein bedürfen
Zur Hülfe bei löblichen Entwürfen;
Und Sie auch sollen zum Mittagsmahl
Die saftigsten schönsten Muränen schlürfen.“

     Der Bischof starrt – zum ersten Mal
Seit langer Zeit hat er das Essen
Und Trinken ganz und gar vergessen,
Und denkt voll Schrecken der Höllenqual.
Er fühlt sich die Brust wie von Schrauben pressen
Und all sein Blut geronnen zu Eis.
Drum stocken die Pulse – ein kalter Schweiß
Fließt von der Stirn und dem ganzen Gesichte,
Und seine Füße sind Klumpen Blei’s.
Kurz, völlig macht’ ihn der Teufel zu nichte,
Und mächtig ist er nicht eines Schrei’s.

     Und jener Herr im bläulichen Lichte
Hob seine Rede wieder an,
Und zwar so fromm, so sanft und gütlich,
Und so herzinnig und gemüthlich
Als irgend nur ein Teufel kann:
„Warum, Hochwürdiger, so erschrecken?
Oft war ich Ihnen unsichtbar nah,
Und mit dem größten Vergnügen sah
Ich Ihnen die Speisen vortrefflich schmecken,
Denn mich erfreut, was Andre vergnügt.
Um nun zu stillen Ihr feuriges Sehnen
Nach klassischen leckerhaften Muränen,
Hab’ ich mich schleunigst herverfügt.
Und wenn an Ihres Kirchthurms Seiger
Zur nächsten Mittagszeit der Zeiger
Genau und pünktlich auf zwölfe steht,
Nicht eine Minute zu früh noch zu spät,
Werd’ ich in Ihre Küche schreiten
Mit zwei Muränen, lebendig und frisch,
Und mich beehren, Sie anzuleiten,
Den trefflichen königlichen Fisch
Mit einer Brühe zu bereiten,
Mit einer Brühe – auf Ihren Tisch
Ist solch ein wundervolles Gemisch,
Bei meiner Ehre, noch nie gekommen,
Von einem Geschmacke, von einem Duft –
Nie haben Sie von dergleichen vernommen.
Nichts weiter sag’ ich – doch wenn die Luft
Mit solchen Gerüchen ein Todter röche,
Bei meiner Treu’ und Ehr’, er kröche
Gleich neu belebt aus seiner Gruft.
Auch stärkt die Brühe den schwächsten Magen,
Die allergrößte Portion
Des trefflichen Fisches zu vertragen.
Frei will ich nun die Bedingung sagen.
Sie waren für eine Muräne schon,
So wie ich hörte, bereit und willig
Mir Leib und Seele zugleich zu weihn;
Ich aber bin ausnehmend billig,
Bediene, Hochwürdiger, Sie mit Zwei’n,
Und fordere Dero Seel’ allein.
Ihr Leib soll sich vortrefflich befinden,
Denn ich will außerdem mich verbinden,
Auch künftighin Ihr Diener zu seyn.“

     Wohl mußte die Rede den Bischof kirren,
Ihm Appetit, drum Muth verleihn,
Doch fühlt’ er sich wieder beim Schluß verwirren,
Und angstvoll ruft er: „Nein, nein, nein!
Ich lasse mich nicht vom Teufel irren.
Für zwei Muränen mein Seelenheil!
Bleibt doch die Seele mein bestes Theil!“

     „Die Seele,“ spricht der Satan ironisch,
„Ihr bestes Theil? Das ist kanonisch,
Doch praktisch, Hochwürdiger, ist es nicht.
Was ist sie, von der man so Vieles spricht?
Kann sie die Mahlzeit riechen und schmecken?
Kann sie nach Tische spazieren gehn?
Kann sie nach schönen Weibern sehn?
Kann sie behaglich im Bette sich strecken?
Also was ist sie? – ein Unding, ein Nichts,
Schatte des Schattens, des Schemens Schemen,
Nur aus Billigkeit anzunehmen
Als der Preis des Muränen-Gerichts.
Welches Gerichts? Gott soll mich verdammen,
Denk’ ich an dieser Muränen Saft,
An des Geschmackes bezaubernde Kraft,
Läuft mir das Wasser im Munde zusammen.
Ja, beim Geknister der höllischen Flammen,
Schmeckt ein Muränen-Gericht noch gut,
Macht uns gelind und behaglich die Gluth.“

     Da sieht man den Bischof das Haupt erheben.
Er spricht: „So wird in der Hölle gespeist?“
„Versteht sich!“ versetzte der böse Geist,
„Wie sollten ohn’ Essen die Leute leben?
In unserer Höll’ ist’s überhaupt
Bei weitem so schlimm nicht, als man glaubt,
Es kommt nur drauf an, sich zu gewöhnen.
Man richtet ganz allmählig sich ein,
Und meint am End’, es müsse so seyn.“

     Der Bischof wird dreister bei diesen Tönen,
Und wagt es, den Teufel anzuschaun,
Doch da befällt ihn ein neues Graun;
Scheint’s doch, ihn wolle Satan verhöhnen,
Und fort ist wieder alles Vertraun.
Er schreit: „Nein, nein! das Höllenfeuer
Für zwei Muränen – das ist zu theuer!“

     Da sagt nur dieses der Teufel noch:
„Sie schätzen hoch die verehrte Seele,
Ich schätze meine Muränen hoch,
Und wer in der Berechnung fehle,
Das, Herr, ist unentschieden noch.
Indeß, Hochwürdiger,“ also flüstert
Er sehr verbindlich und beuget sich,
„Wie Sie nach meinen Muränen lüstert,
So lüstert nach Ihrer Seele mich,
Drum rechn’ ich nicht zu wucherlich,
Und bitte, gefälligst einzuschlagen,
Wo nicht, den Kauf mir aufzusagen,
Denn andre Geschäfte rufen mich.“

     Und als er diese Worte gesprochen,
Da macht er Anstalt davon zu gehn,
Doch läßt er nun einen Duft entstehn,
Wie ihn der Bischof noch nie gerochen.
Er ist aufs wundervollste gemischt
Von Wein, von Gewürz, von Austern und Trüffeln,
So daß er Leib und Seel’ erfrischt –
Der alte Herr fängt an zu schnüffeln,
Und fühlt sich lüstern die Lippen genäßt.
Da spricht der Teufel: „So riecht meine Brühe.
Ade, Herr Bischof!“ – Doch dieser läßt
Ihn nicht davon, hält am Mantel ihn fest,
Und ruft: „Ja, wenn ich ewig glühe –
Wer hier sich nicht verführen läßt,
Der ist kein Mensch – ich unterschreibe.“

     Da hat nun der Teufel die Seele beim Leibe
Und hält sie fest. Er zieht ein Papier
Aus seinem Mantel und sagt nun: „Hier,
Weil ich mich dessen wohl gewärtigt,
Ist der Pakt in duplo ausgefertigt.
Ich les’ ihn vor, dann vollziehen wir.“
Und nun beginnt das höllische Wesen
Ihn folgender Maßen laut zu lesen:

     „Wir, ich, der Bischof Anastas,
Und ich, Beelzebub Satanas,
Thun kund und fügen hiermit zu wissen
Für Alle, die’s zu erfahren beflissen,
Das wir heut frei und wohlbedacht
Nachfolgenden Vertrag gemacht:
Ich, Satan, verbinde mich, wenn am Seiger
Des hiesigen Thurms heut Mittag der Zeiger
Gerad und pünktlich auf Zwölfe steht,
Nicht eine Minute zu früh noch zu spät,
Zu bringen zwei Muränenfische,
Zwei fette, feine, lebendige, frische,
In die Küche des Bischofs, und ihn dabei
Nach bestem Vermögen anzuleiten,
Die trefflichste Brühe zu bereiten,
Die so wohlschmeckend und stärkend sey,
Wie ich, der Bischof, sie eben gerochen;
Auch wird von mir, dem Satan, versprochen,
Daß ihm, dem Bischof, auf Lebenszeit
Mein unterthänigster Dienst geweiht.
Ich aber, der Bischof, stelle dagegen
Nach meinem, Gott gebe, seligen Tod
Die Seele zu des Satans Gebot.
Und da uns nach reiflichem Ueberlegen
Dies also gefallen hat und behagt,
So haben wir jeglicher Ausflucht entsagt,
Zum Beispiel der der enormen Verletzung,
Des Zwangs und der listigen Beschwätzung
Und allen anderen. Dies geschah“ –
Dann Ort und Tag et cetera.

     Als diese Zeilen verlesen waren,
Da ruft der Teufel: „Nun, gutes Muths!
Es kostet noch einen Tropfen Bluts,
Der reicht zu beiden Exemplaren.“
Schnell wird nun dem Bischof der Finger geritzt,
Woraus ein Tröpflein Blutes spritzt;
Dies wird mit der Feder aufgefangen.
Der Teufel kritzelt den Pferdefuß,
Und da er von Neuem bemerken muß,
Der Bischof kämpfe mit Angst und Bangen,
Da läßt er schnell einen neuen Stoß
Von jenem gewürzigen Dufte los,
Und gleich ist Jenem die Sorge vergangen,
Denn jeden andern Gedanken vertreibt
Die Lüsternheit – er unterschreibt.

     Das eine Blatt bleibt dorten liegen,
Das andre faßt der Teufel geschwind,
Um, brausend wie ein Novemberwind,
Durchs offne Fenster davonzufliegen.
Mit Höllengelächter stürzt er hinaus,
Im tiefsten Grund erzittert das Haus,
Und statt der süßen gewürzigen Düfte
Füllt gräulicher Schwefelgestank die Lüfte.

     Dort steht nun der Bischof mit Schrecken und Graus,
Ihm fällt’s von den Augen wie Schuppen – die Wahrheit
Tritt ihm entgegen in schrecklicher Klarheit.
„Des Teufels Beute für einen Schmaus!
Für zwei Muränen auf ewig verloren!
Entsetzliche Blindheit!“ So dacht’ er; es klang
Das Höllengelächter ihm in die Ohren.
Wild lief er im Zimmer umher und rang
Verzweifelnd und stöhnend sich wund die Hände,
Und Schrecken erzeugten ihm alle Wände.
Denn ein gehörnter Teufel sprang
Jetzt hier heraus mit grinsender Fratze,
Und streckte nach ihm die bekrallte Tatze.
Schnell floh er zur andern Seite, da spie’n
Zwei mächtige Fische – ihm schienen’s Muränen –
Mit grimmigen Augen, mit drohenden Zähnen,
Aus offenen Rachen Flammen auf ihn.
Wohin er sich wendet – aus allen Ecken
Springt Ungeheures zu neuem Schrecken –
So fühlt er, gehetzt, daß jeglicher Sinn
Sich in der Verzweiflung des Wahnsinns verliere.
Am Ende wirft er zu Boden sich hin,
Und brüllt, gleich einem verwundeten Stiere.

      Der Morgen begann itzt wonnevoll
Ringsum die Gegend zu enthüllen,
Als dies verzweiflungsvolle Brüllen
Durchs bischöfliche Haus erscholl,
Drob alle Diener zusammenliefen,
Und da der Bischof mit keinem Wort
Bescheid gab, nur brüllte, voll Angst sofort
Das ganze Kapitul zusammenriefen.
Es kommt sogleich der Präpositus,
Der Dechant, der Scholasticus,
Der Custos und jeder Canonicus,
Und alle sind rings um ihn versammelt,
Und reden geistlichen Trost ihm ein.
Doch Er hört lange nicht auf zu schrein.
Erst als die Lunge matt wird, stammelt
Er Worte, die Niemand zu fassen vermag,
Von Teufel, von Seele, von Fisch und Vertrag,
Darob die weisen hochwürdigen Herren
Weit auf vor Erstaunen die Mäuler sperren
Und sehen vor Schrecken stumm und dumm
Mit zweifelnden Blicken im Zimmer sich um.
Doch endlich erscheint die ganze Geschichte
Im sichern, klaren, unseligen Lichte.
Denn Einer beim Umherschaun trifft
Das Blatt mit der blutigen Unterschrift.
Der lies’t mit lauter, doch zitternder Stimme
Den Pakt, den der Bischof geschlossen hat,
Dann, gleich als ob es wie Kohlen glimme,
Wirft er zu Boden hin das Blatt.
Und alle jene Kirchen-Säulen
Beginnen nun im verworrenen Chor
Ein banges Aechzen, ein lautes Heulen
Mit miserere – confiteor.
Nur Einer wußte sich zu fassen,
Und blieb besonnen und gelassen.

     Dies war ein magerer, kleiner Mann,
Von mittleren Jahren, mit spähenden Augen,
Als wollt’ er damit aus dem Herzen saugen,
Was Jeder darinnen fühlt’ und sann;
Von hoher Stirn und feinem Munde,
Von spitzer Nas’ und spitzem Kinn –
So gab sein Aeußres vom Innern Kunde,
Von Kälte, Schlauheit und herrschendem Sinn.

     Vergebens sucht’ er lang, zu sprechen,
Denn allzumächtig braus’te der Chor,
Doch endlich trat er gebietend hervor,
Und rief mit schallendem hohem Tenor,
Um dies Geheul zu unterbrechen:
„Hochwürdige Herren, ich bitt’ ums Wort!“

     Und stille ward’s im Zimmer sofort,
Und also wurde von Jenem begonnen:
„Verehrte Confratres, mit Heulen und Schrein
Wird hier auf Erden nichts gewonnen.
Je ärger die Noth, je größer die Pein,
Je mehr gilt’s kalt seyn und besonnen;
Und weil ich kalt bin, so hoff’ ich, daß List
Des Teufels zu überlisten ist.
Denn ist Er Satan, der Widersacher,
So bin Ich ein Canonicus,
Und sehe nicht ein, warum Er die Lacher
Auf seiner Seite haben muß.
Erlaubt uns nun zu löblichen Zwecken
Die Mutter Kirche das Mittel des Trugs,
So ist’s wohl billig, den Vater des Lugs
Mit einem feinen Betruge zu necken
Zu eines Kirchenfürsten Heil.
Ich schlage drum vor zu meinem Theil:
Wir stellen an unserer Kirche Seiger
Aus Vorsicht jetzt gleich auf Eins den Zeiger
Und lassen die Uhr dann gänzlich stehn;
Dann ist unerfüllbar, was ausbedungen.
Kommt nun der Satan, so wird er sehn,
Ihm sey das wichtige Werk mißlungen.
Er glaubt sich verspätet, und fliegt mit Hohn
Und Aerger und langer Nase davon.

     Selbst wenn in Berlin die Sonntag gesungen,
Ist nie solch wüthender Beifall erklungen,
Als jetzt im ganzen Kapitul erklang.
Der Bischof selber, voll Jubel, schwang
Die Mitra, die dort lag, im weiten Kreise,
Denn gewälzt sind Zentner von seiner Brust.
Zwar schmerzt ihn noch der Muränen Verlust,
Doch faßt er drum sich löblicher Weise.
Jetzt machen All’ in so schnellem Lauf,
Als nur die Bäuche gestatten, sich auf,
Und nach dem Kirchthurm geht die Reise.
Dem Thürmer befiehlt man – doch was es bezweckt,
Das wird dem Staunenden nicht entdeckt,
Denn Solches schadete dem Respekt –
Daß er aushebe der Uhr Gewichte
Und gleich auf Eins den Zeiger richte.
So geschieht’s, und mit gutem Muthe kann,
Man zur Messe gehn und zum Frühstück dann.

     Der Mittag naht und über die Wogen
Des See’s Madü kommt der Teufel geflogen.
Und als er von Weitem den Thurm erblickt,
Erkennt er den Zeiger und sieht sich betrogen,
Und die List von größerer List bestrickt,
Worüber er durch und durch erschrickt;
Und er läßt, überrascht, aus seinen Krallen
Ins Wasser hinab die Fische fallen.
Die finden sogleich, in der klaren Fluth
Da zapple, leb’ und liebe sich’s gut,
Beginnen sich lustig zu streichen, zu laichen
Und reichlich zu zeugen Ihres-Gleichen.
Bald wird die neue Gattung entdeckt,
Die dem Bischof, nachdem er dem Teufel entrissen,
Obwohl die Erinnerung sein Gewissen
Noch immer etwas ärgert und neckt,
Mit eigener Brühe vortrefflich schmeckt.
Doch waren den Fischen viel spitze Gräten
Durch Satans Zorn in den Leib getreten.
Auch dies ist bewirkt vom bösen Geist,
Daß jetzt die Muräne – Maräne heißt,
Da durch ihn die Zeit so schändlich handelt,
Und was da besteht verhunzt und verwandelt.
Ja, sie ist’s, die Jugend und Schönheit verpfuscht,
Aus lustigen Mädchen macht heilige Schwestern,
Die Schilder und Bilder übertuscht,
Nur macht sie nimmer das Heute zu Gestern.
Doch zu des U Restauration
Wirkt jetzt eine Association,
Die wird das A, das klare, bezwingen,
Und zurück das U, das dunkle, bringen.

     Der Eine von den Lesern lacht,
Den Andern, mit Worten, spitz wie Nadeln,
Hör’ ich den Bischof und Dichter tadeln,
Weil’s beide gar zu dumm gemacht.
„Für zwei Muränen das Heil der Seele!
Wer ist, der so schwer um so Kleines fehle?“
Ihr, die ihr tadelt, ihr, die ihr lacht,
Für euch ist eben das Mährchen erdacht,
Damit’s euch klar euch selber mache.
Der Teufel ist eure Leidenschaft,
Der Geiz, die Wollust, der Stolz, die Rache,
Die mit unwiderstehlicher Kraft
Euch auf den Weg des Verderbens rafft,
Und oft durch eine schlechtere Sache,
Als einer würzigen Brühe Geruch.
Kaum wagt ihr, euch wie der Bischof zu sträuben,
Laßt euch durch Schmeicheln und Lügen betäuben,
Gewahrt nicht den gröbsten Widerspruch,
In den mit sich selbst der Teufel gerathen;
Und so zertretet ihr toll und blind
Des eignen, des fremden Glückes Saaten.
So wüthen die Völker, so stürzen die Staaten,
Weil diese Teufel drin herrschend sind,
Denn sie machen die Herrn von der Linken und Rechten
In gleicher Weise zu ihren Knechten.
Die Geschicht’ auch lehrt, wie um manchen Thron
Sie schon gewußt, ihr Netz zu flechten
Und ihn zertrümmert mit Schmach und Hohn –
Wird endlich im Mährchen der Teufel betrogen,
So ist auch dies gar wohl erwogen,
Obgleich ihr’s tadelt – denn, Freunde, wißt,
Daß jeder solcher Teufel am Ende,
Wie schlau er sich auch dreh’ und wende,
Doch nur ein dummer Teufel ist.
Denn klug ist nie, wer von Gott verstoßen,
Und vergeblich, drum thöricht, sein Kampf und Strauß,
Und trotz der Hölle List und Erboßen
Führt Gott, was er will, gar herrlich aus –
Ihr aber, ist’s euch einmal gelungen,
Daß ihr dem Teufel euch entrungen,
Nicht jubelt in blindem Selbstvertraun,
Versäumt es nie, euch vorzuschaun
Denn sonst, bevor ihr euch versehen,
Hat wieder Satan euch in den Klaun,
Und endlich ist’s um euch geschehen.
Drum haltet fest an Recht und Pflicht,
An Herzens-Wahrheit, reinen Sitten,
Und hört nicht auf, den Herrn zu bitten:
Herr, in Versuchung führ’ uns nicht!

Collection: 
1834

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