Das Gastmahl des Theoderich

Wild tobt beim kriegerischen Schmause
     Die Lust zum schäumenden Pokal
Und wälzt sich, gleich dem Meergebrause,
     Hin durch den hochgewölbten Saal.
Bald in der Brust der rauhen Zecher
     Entflammt die Freude sich zur Wuth.
Schon klirrt das Schwert zum Klang der Becher,
     Schon mischt dem Weine sich das Blut.

Wie kann in königlichen Hallen,
     O greiser Held, Theoderich,
Dir die Barbarenlust gefallen?
     Was stürzt in solchen Wirbel dich?
Dich, den die Herrscher zagend preisen,
     Den Helden mit der klaren Kraft,
Den Schüler und den Schutz der Weisen,
     Den Hort der Kunst und Wissenschaft?

Dich, der du um die Unterjochten,
     Noch voll von Haß und Schrecken jüngst,
Der Liebe festes Band geflochten;
     Der du ein greises Volk verjüngst,
Und durch Gerechtigkeit und Milde
     Italiens hellen Glanz erneust,
Und in verödete Gefilde
     Des Glückes reichen Samen streust?

Erliegt die freie, starke Seele,
     Der schönsten Thaten sich bewußt,
So gänzlich unter Einem Fehle?
     Zerdrückt er ganz die Heldenbrust?
Du suchst dir selber zu entweichen,
     Du fliehst vor deiner Schuld und Schmach,
Doch ihre Schreckgestalten schleichen
     Zum lauten Mahl dir grinsend nach.

Er hat zwei Treffliche getödtet
     In seines Zornes blindem Wahn,
Und nun, wohin er flieht, da röthet
     Ihr Blut des flücht’gen Fußes Bahn.
Weh! daß er selbst im Glanz der Sterne
     Ihr brechend Auge schauen muß!
Ihm zürnen nah, ihn drohen ferne
     Boëthius und Symmachus.

Jetzt starrt, von Schwermuthsnacht umdunkelt,
     Er bodenwärts vom gold’nen Sitz;
Jetzt aus erhob’nem Auge funkelt
     Ein jäher, schnell erloschner Blitz.
Entzündet Schaam ihn? Reue? Grausen?
     Ist’s irren Wahnsinns Raserei? –
An seinem Ohre tobt das Brausen
     Des Festes ungehört vorbei.

Jetzt greift er, wie in Krampfeszwange,
     Nach dem Pokal mit goldnem Wein,
Und zu der Krieger rauhem Sange
     Stimmt wild der greise König ein;
Doch bald dem Aechzen gleicht die Stimme,
     Von einer wunden Brust verstöhnt,
Und bald dem Laut von innerm Grimme
     Deß, den ein stärkrer Feind verhöhnt.

Sieh, mit der Silberschüssel Bürde
     Stellt sich ein römisch Knabenpaar,
In königlicher Diener Würde,
     Gemessnen Schritts den Gästen dar,
Durchschreitet ernst den Raum des Saales,
     Naht, wo der König sitzt, dem Tisch,
Und setzt vor ihn den Schmuck des Mahles,
     Des blauen Meeres schönsten Fisch.

Der König sieht’s und starrend hangen
     Die Augen an des Fisches Haupt,
Das, wie Medusens Haupt voll Schlangen,
     Ihm Rede, Kraft, Bewegung raubt.
Der Schlag der Pulse scheint zu stocken,
     Der Geist und jeder Sinn betäubt,
Und grausig sind die Silberlocken
     Des Königes emporgesträubt.

Doch plötzlich springt er in die Höhe
     In jähen Schreckens irrer Hast,
Als ob er wildem Feind entflöhe,
     Von ihm beim greisen Haar gefaßt.
So strebt er vor, kann nicht von dannen,
     Und nach dem Fische muß er schaun,
Und Fuß und Auge fühlt er bannen
     Von Angst und ungeheurem Graun.

Und als mit rauhem, dumpfen Schalle,
     Ein Jammerschrei der Brust entsteigt,
Da kehrt nach ihm aus weiter Halle
     Sich jeder Blick und Alles schweigt.
Der Rachegöttin Hauch durchschauert
     Mit eis’gem Wehen jeden Gast,
Der Göttin, die im Stillen lauert,
     Und Könige wie Bettler faßt.

Und Er, mit vorgestreckten Händen,
     Zurückgebogen Brust und Haupt,
Bemüht, das Antlitz abzuwenden,
     Doch starr hinschauend, ächzt und schnaubt.
„Fort,“ kreischt er stöhnend, „fort die Leiche!
     Fort, sie verhaucht des Grabes Duft!
Fort, grause Schreckgestalt, entweiche!
     Fort Ungethüm, in deine Gruft!“

„Bedenke, Sclav, ich kann dich würgen –
     Der König ist’s, den du bedrohst!
Doch du vertraust auf einen Bürgen,
     Der nie versagt, und bleibst getrost.
Der Tod ist’s, den ich dir gegeben,
     Der schützt dich vor des Königs Wuth,
Der giebt in deine Hand mein Leben
     Und bricht den nie gebeugten Muth.“

„Ha, wie die todten Augen rollen!
     Wie er die Zähne fletschend grins’t!
Ich fleh’! ich flehe! laß dein Grollen!
     Was ist’s, das du damit gewinnst?
Dich tödten konnt’ ich, grauser Schatten,
     Dich tödten wider Recht und Pflicht,
Das Leben aber dir erstatten,
Ach, das vermag der König nicht!“

„Weh, Gott im Himmel, noch ein Zweiter,
     Wie Jener schrecklich, steigt empor!
Mein Fuß gebannt, und immer weiter,
     Und immer grauser schreitet’s vor,
Und kalt und gräßlich packt’s mich Armen,
     Und dringt auf mich zermalmend ein.
O ew’ger Richter, hab’ Erbarmen,
     Sieh’ meine Reu’ und meine Pein!“

Und als er kaum dies Wort gesprochen,
     Emporgewandt den Blick voll Qual,
Da scheint, was ihn gehemmt, gebrochen,
     Und er entstürzt dem hohen Saal,
Eilt durch des nahen Tempels Pforten,
     Und stürzt sich nieder am Altar
Und bringt dem Allversöhner dorten
     Des Herzens brünstig Flehen dar.

„Herr, schau’ in meiner Seele Grunde,
     Was ich gewollt, das sieh in ihr,
Und mit dem Leben nimm die Sünde,
     Die ich im Wahn verübt, von mir.
Das reine Blut, das dir entflossen,
     Es reinige mich von dem Blut,
Das, dein vergessend, ich vergossen
     In meines Zornes Frevelmuth!“

Da strömt aus ew’gen Lichtes Quelle
     Ein Flammenstrahl, der ihn durchzückt,
Und ihn umgiebt mit goldner Helle
     Und jedem Erdenleid entrückt.
Auf seinem Antlitz thront der Frieden
     Und reine Paradieseslust,
Und lächelnd liegt er dort, verschieden,
     Gekreuzt die Arm’ auf seiner Brust.

Collection: 
1834

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