Wenn des Abends Rosenflügel
Kühlend, über Thal und Hügel,
Ueber Wald und Wiese, schwebt;
Wenn der Thau die Bäume tränket,
Sich in bunte Blumen senket,
Und an jungen Aehren bebt;
Wenn im Schalle heller Glocken
Heimwärts sich die Schafe locken,
Und im Gehn das Lämchen saugt;
Wenn das Geißblatt süße Düfte
In dem Wehen leiser Lüfte
Labend mir entgegen haucht;
Wann die schweren Kühe brüllen,
Gern die blanken Eimer füllen,
Und die Dirne melkend singt,
Dann, auf ihrem bunten Kranze,
Leicht, als schwebte sie im Tanze,
Süsse Milch nach Hause bringt;
Wann die Erlen duftend säuseln;
Wann die Mücken Teiche kräuseln;
Wenn der Frosch sich, quakend, bläht;
Wenn der Fisch im Wasser hüpfet,
Aus der kalten Tiefe schlüpfet,
Und der Schwan zum Neste geht;
Wann, im Nachtigallenthale,
Hesper mit verliebtem Strale
Heimlich meine Quelle küßt;
Wann, wie eine Braut erröthend,
Luna freundlich komt, und flötend
Philomele sie begrüßt:
Dann umschweben süsse Freuden,
Hand in Hand mit stillen Leiden,
Meinen Geist, mein Auge weint.
Wann die Thrän' in Luna's Schimmer
Bebet, weiß ich selbst nicht immer,
Was die stille Thräne meint.
Manche nannt' ich Freudethränen,
Die vielleicht geheimes Sehnen
Dem getäuschten Auge stahl;
Mancher leise Wunsch entbebte
Seufzend meiner Brust, und schwebte
Ungesehn im Mondenstral.
Ich beschwör' euch, Abendlüfte!
Ich beschwör' euch, kühle Düfte!
Hesper! Luna! Nachtigall!
Sagt, beschleichet dieses Sehnen
Mich allein mit solchen Thränen
Im geheimen Mondenstral?