Klagen einer Schäferinn

Wo fliehst du hin aus meinem Herzen,
O Kaltsinn, der es sonst bewacht?
Ach! nun empfind' ich jene Schmerzen,
Die ich in Thyrsis oft verlacht.
Stets ungerührt bey seinen Tönen
Nannt' ich sein Leid erträumtes Leid;
Und nun vergieß ich selbst die Thränen
Der Schwermuth und der Zärtlichkeit.

Seit jener Stunde voll Entzücken,
Da ich den jungen Damon sah,
Ihn, den so seltne Reize schmücken,
Ist mir sein Bild beständig nah.
Ich will ihm meine Glut bekennen,
Grausame Quaal! ich darf es nicht!
Wie schwach ist doch mein Herz zu nennen!
Und wie tyrannisch ist die Pflicht!

Was gleicht der Blüte seiner Wangen?
Dem hohen Geist' in seinem Blick?
Von seinem theuren Arm umfangen
Mit ihm zu leben, welch ein Glück!
O Liebe, sieh auf meine Zähren!
Laß mich im Kummer, der mich nagt,
Von Damons Mund nur Einmal hören,
Was Thyrsis mir zu oft gesagt!

Collection: 
1773

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