Das Thal

Verborgnes Thal, das ich voll Freuden grüsse,
Nimm endlich mich in deine Schatten ein!
In eurem Schooß, ihr grünen Finsternisse,
Wohnt wahre Lust; in Städten wohnt ihr Schein.

Hier find' ich dich, holdsel'ge Schöne, wieder,
Gesundheit, dich! du fliehst der Städte Rauch,
Fliehst ihre Pracht. Durch alle meine Glieder
Strömt neue Kraft von deinem Balsamhauch.

Bey dem Gesang der sanften Philomele,
Rührt mächtiger Petrarchens Lied mein Herz;
Und stärker reizt die sorgenfreye Seele
Cervantens Witz, und Fiedlings süsser Scherz.

Ich neide nicht der Reichen Götterfeste,
Mich speist ein Mahl, das Hunger schmackhaft macht;
Mir rauscht der Bach, mir lispeln junge Weste,
Kein finstrer Traum beschweret meine Nacht.

Verbirg auf stets mich dem unheil'gen Volke,
O stilles Thal, das mich so sehr entzückt!
Wo über mir auf einer Silberwolke
Die Muse schwebt, mit Daphnens Reiz geschmückt.

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Collection: 
1773

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  • Verborgnes Thal, das ich voll Freuden grüsse,
    Nimm endlich mich in deine Schatten ein!
    In eurem Schooß, ihr grünen Finsternisse,
    Wohnt wahre Lust; in Städten wohnt ihr Schein.

    Hier find' ich dich, holdsel'ge Schöne, wieder,
    ...