Lobsprüche

1.
Wer könnte dich behalten?
Du hattest hundert Gestalten.
Du warst in ärgster Leidenschaften mitten,
Heilige und Geliebte überall.
Du wurdest viel beglückt, du hast noch mehr gelitten.
Die Welt ist voll von deinem Widerhall.

2.
Schließe ich die Augen, um dich so in mir zu schauen,
wie du im Kranz die Rosen zu den Lilien fügst,
erschaure ich. Denn strömst du nicht die Gnade
der grenzenlosen Liebe
in Mädchenküssen über mich, gerade
als ob du jenes schwere Herz gereifter Frauen
in einem unberührten Leibe trügst?

3.
Ich sehe - selber müd - im Kornfeld deinen Leib,
wie du durch so viel glüh'nde Schwermut gehst,
vor Schlankheit weinen.
Doch als du leuchtend unter dunkeln Bäumen stehst,
da merk ich endlich, daß schon lang im Sonnenuntergang
der Abendstern aus seiner Feuerknospe sprang.

4.
So wie der Abendstern aus Sonnenuntergängen bricht,
steigt aus der Wollust und der Schwermut Tiefen dein Gesicht.
Und immer bist du wieder,
als hättst du nie geweint und nie gebrannt.
Stets neu wie Morgen, Quelle, Diamant,
Schneeball und weißer Flieder.

5.
Laß mich dir stumm entgegenschreiten,
die mir von fern den Frühlingsgruß entbeut,
wo die grünen Bäume lichtbestreut
den Schattenteppich deinen Füßen breiten:
dein Blick erweckt die jubelnden Gesänge,
wohin er fällt, in Baum und Strauch,
um dich weht hell urholder Erdenrauch,
mit dir gehn die schweren Himmelsklänge.

6.
Als ich sie abends im Garten sprechen sah

Sind ihre Lippen nicht schon ihre Brust und Hüften ganz? ...
Die Lippen, die sich regen, nicht schon ihres Leibes leiser Tanz
und ihre Müdigkeit schon ihres Schlafes Blumenglut:
ein Mondleib, überschwemmt von Rosenblut,
und mehr noch - ganz?

7.
Wie warst in diesen Tagen du allein
und konntest es kaum tragen!
Es wird noch oft so sein -
doch mußt du dir dann sagen:
Um keine Trauer ist es schad,
wer Liebe hat, darf sie nicht schelten.
Der Sternenvogel steigt aus geäscherten Tagen,
strahlend im Auferstehungsschein,
sein Gefieder sind blühende Klagen,
sein Gesang ist Seelenwein.
Er schlägt sein silbernes Rad
und jubelt über die Welten.

8.
Dein Gang nimmt Zorn und Weh von mir,
und wie sich deine Hüften wiegen,
fühl ich die Erde mit uns fliegen
durch Himmelsbläue für und für:
O schöne Fahrt, so leicht wie Wind,
vor dem die Fernen sich entfalten!
Wir wollen uns für Götter halten,
die auf der Hochzeitsreise sind.

9.
Sie machte hinter mir die Türe auf und sagte: Gute Nacht.
Ich nickte ein "Bin bei der Arbeit". Stunden verstrichen.
Den Tag, der nahte, hört ich nicht. Er kam geschlichen
und drückte sein eselgrau Gesicht an die Scheiben.
Gott, wie sah er drein!
Mir ward eiskalt bei seinem welterfüllenden "Und ob ich frier!"
Er stand bis an die Knöchel noch in Nacht und
fraß den Lampenschein.
Vielleicht ist das ein Ofen, dachte er, oder ein Krug voll Wein? ...
Da, als ich aufstand, hört ich plötzlich, wie ein Echo: Gute Nacht.
Das ganze Zimmer wurde warm von ihr.

10.
Am Abend stehe ich zu Straßburg auf dem Wall,
von wo ich dir die blitzenden Gedichte sende,
die mir, mein ich, wie Schwalben aus dem Herzen schießen,
und sehe dich mit andern Tennis spielen. Überall
biegt sich dein Leib und leuchten deine Hände.
Der Himmelsfleck, worauf du stehst, scheint mild und warm.
Dein Haar zieht überall die Sonne mit.

Nachts träume ich von deinem weißen Arm,
und wie er Kurven in den Himmel schnitt,
die Silberspuren hinterließen,
und daß, wohin du trafst, die Himmelsglocke gleich in Risse sprang,
durch die das schöne Wasser mit den Sternenfischen
und dem Mondhai drang.

11.
In deiner Treue will ich tief begraben sein.
Ich weiß, dies Haar, das mich bedeckt, ist mein,
und weiß, daß diese Hände mich behüten.
Mit starken Engeln steht dein Herz im Bund.
Alle Stunden, ob sie dunkel, ob sie fröhlich blühten,
hingen als ein Lächeln sich an deinen Mund.

12.
Zum erstenmal seit vielen Jahren bin ich wieder still
und weiß, daß - ja und nein - man tut und nicht tut, was man will.
Daß alle Menschen einfach sind, und daß sie alles, was sie treiben,
sich selber aufgegeben haben - wie die Kirchenväter schreiben.
Und dennoch wieder nicht, und daß sie wohl nicht anders können
und so sind oder so und bleiben, wie sie's anders auch ersönnen.
Daß Lust und Schmerz süß oder bitter, schlecht und gut
wie alle unsre Dinge sind und heißen sollen,
worauf die Tage und die Nächte ihre Flut
von Licht und Dunkel rollen.
Und da du mir gegeben bist und ich es weiß,
lieb ich das Dunkel und das Hell, das Kalt, das Heiß.
Ich streiche meine Hand, die nachts auf deiner Hüfte lag,
ich schmecke deinen Kuß, den ich wie Blut auf meinen Lippen trag,
ich fühle deinen Blick in allem und auf allem beben.
Wo immer eine Schönheit wirkt, stehst du daneben.

13.
Geliebte! So zittert die Meute um ihren Herrn,
wie meine Gedanken dich bestürmen, bist du mir fern.
Das ist, weil dein Herz wie eine Sonne in deinem Leibe strahlt,
weil Ihr Brüste den Glanz im Dickicht von Sommerwäldern stahlt,
weil schon deine Hände ihre stolze Sanftmut offenbaren.
Weil deine Wimpernschläge sich wie Krieger um mich scharen,
dann wie Tauben sich auf meinen Worten wiegen und dein Gesicht
Berge versetzt und die Tore der Finsternis erbricht.
Darum müssen meine Gedanken, bist du mir fern,
zitternd um dich sein, wie die Meute um ihren Herrn.

14.
Um dein Gesicht ist ein Glanz
wie das Feuer eines Edelsteins um seinen Kern.
Ich seh es immer, wie's - eine Vase, ein Kelch -
dein Zimmer erhellt.
Es versinkt in unsern Umarmungen
und geht wieder auf wie ein Mond,
den deine Liebesglut erhält.
Wenn ich von dir gehe,
starre ich lang in den Himmel. Es fällt ein Stern,
und meine Liebe steht, ein gewaltiger Erzengel,
vor dem Mond und hütet ihn.

15.
Kommen deine Augen und sehn mich an,
weiß ich, warum mein Leben in deines rann.
Weil sie Himmel erbauen, so tief,
als ob ein ferner Wald darinnen schlief -
und liebst du, ist's ein Wald, der rauschend
um einen Brunnen steht,
in dessen goldener Tiefe
ein Stern zergeht.
Als ob ich dich von weitem riefe,
ist dein Gesicht mir zugewandt
in allen meinen Gedanken: lauschend
ernst und unverwandt.

16.
Schmerzt dich mein "Ich weiß nicht mehr",
sprichst du von unserm frühern Glück? Wie ein Verneinen
deiner Jugend klingt's dir, die du mir geschenkt?
Sieh, meine Vergangenheit ist so leer,
als hätt ich das alles vor tausend Jahren gelebt.
Einmal ward ich gekrönt, ein andermal gehenkt,
wahrscheinlich hab ich auch verraten:
mir träumt von den verschiedensten Taten ..
Dann, wenn dein Mund so wie bei Kindern bebt,
bevor sie weinen,
möcht ich dir sagen: "Du warst gewiß das Ziel
all meiner Sehnsucht. Soviel
und noch viel mehr
streckt aus dem Dunkel Arme dir entgegen,
du bist meine ewige Wiederkehr."
Doch blendet meine Zukunft mich mit ihren tausend Wegen.

17.
Ich liebe dich so, daß ich manchmal denke:
"Du liebe, süße, alte Frau!"
und dir viel gute Gedanken schenke,
wie alte Leute sie wohl haben mögen
in einem hellen Gartenzimmer.
Ich wünschte nicht, daß meine Augen mich trögen:
heut morgen bist du ein wenig grau
um Schläfen und Augen und lächelst ahnungslos
ernst und groß,
als wärst du frisch wie immer.
Ich sehe deinen Händen zu, den Freudebringern ...
Die Haare schlafen noch,
und doch streichst du darüber, als überglänzten
sie sich und wollten, müßten sie besänftigt sein.
Im Spiegel welkt der Schein
von Rosen, die dich gestern bekränzten,
und meine Liebesworte all
funkeln wie Ringe an den Fingern
einer müdgetanzten Frau,
die, heimgekehrt vom strahlenden Ball,
sich im Morgenlicht entkleidet.
Ihr Blick, der sie im Spiegel sucht und meidet,
weiß selbst nicht mehr genau,
ob sie noch schön sein will.
Und plötzlich fühlt sie sich so still,
fühlt sich so sanft,
als ob sie ihre eigne Mutter wäre,
ihre junge Mutter, die liebeschwere,
müdgeliebte Arme sinken läßt -
bis eine Träne ihre Lider näßt,
kleine Vögel, die schlagen,
in ihrem Käfig hin und her gehetzt ...
Törin, warum weinen,
will mir doch die Stunde köstlich scheinen!
Wenn wir nie geliebt uns hätten,
liebten wir uns sicher jetzt.

18.
Man hatte mich begraben. Ich hörte sagen,
ich sei tot.
Aber als der Schauer der Auferstehung durch die Erde lief
und die Fluten der Ewigkeit zu mir kamen
mit ihren ungestirnten blauen Tagen,
erwachte ich in deiner Augen Schein und rief,
rief lautlos deinen Namen.
Du küßtest mich, da war ich so, wie deine Lippen sind:
ein wenig blaß, im Kusse blutig dunkelnd
und froh geschweift, war eine hohe Rose, dein Mund im Wind,
dem sie, aus ihren Purpurtiefen funkelnd,
sich schwer gebeugt zum Kusse bot.

Collection: 
1920

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