Mein Sonntagsmorgen

Keine Dichtung

Welches Glück, am Sonntagsmorgen
In den Tag hinein zu schlafen,
Ruhig liegen in dem Hafen,
Von der Alltags-Noth geborgen.
Langsam wird sich angekleidet
Unter Singen, unter Pfeifen,
Und kein Schmollen und kein Keifen
Unser Wohlsein uns verleidet.
Mit unsäglichem Vergnügen,
Angethan mit neuem Rocke,
Mit dem Hute, mit dem Stocke
Steigen wir hinab die Stiegen.
Doch um Eins nicht zu vergessen,
Stecken wir in uns're Taschen
Uns ein hübsches Buch zum Naschen,
Bis es später Zeit zum Essen.
D'rauf wird in dem Sonnenscheine
Hingeschlendert durch die Gassen,
Ganz gemütlich und gelassen;
Denn sie sind so blank und reine.

Jene grünen Jalousien
Sind geschlossen - ach die Schönen,
Die sich dort auf Flaumen dehnen,
Träumen wohl von Harmonien!
Laß sie träumen! - die Geliebte
Denket doch des treuen Schäfers,
In der Ruh' des Siebenschläfers, -
Daß ihr nichts den Frieden trübte!
Doch ein winzig Kieselsteinchen
Will ich an's Gesimse schleudern,
Etwa, daß sie schon in Kleidern
Tänzelt niedlich auf den Beinchen.
Sieh, da öffnet sie die Balken
Mit den zarten Fingerspitzen,
Spähet furchtsam durch die Ritzen,
Wie die Taube auf den Falken.
Ha, nun hat sie mich erblicket,
Wirft mir mit dem lieben Händchen
Küsse zu als süße Pfändchen,
Wer ist wohl wie ich entzücket?!
Und ich wand're selig weiter
Bis hinaus zu den Alleen,
Die vor jenem Thore stehen,
Und das Glück ist mein Begleiter.

Collection: 
1855

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