Henriette

1.
Als jüngst mein Aug' erblickte Henrietten,
Da wurden locker der Besinnung Quadern,
Glutströme quollen rings durch meine Adern,
So wie sie qualmen in des Aetna Betten.

Wer schmachten dürft' in ihren Blumenketten,
Er sollte nimmer mit dem Leben hadern;
Von solcher Reize stürmenden Geschwadern
Kann dich, o Freund, nur schnelle Flucht erretten.

Mairosenbeete blüh'n auf ihren Wangen,
Aus deren Grübchen Amoretten scherzen,
Und Nelken glühen auf den frischen Lippen.

O selig, wer von solchem Reiz umfangen,
Vergessend aller Qualen, aller Schmerzen,
Darf weltentrückt der Liebe Nektar nippen!

2.
Du bist von jedem Zauberreiz umflossen,
Sowie vom Maienhauch der duft'ge Flieder,
Der Schönheit Wellen fließen auf und nieder,
Von meiner Sehnsucht Flammenblick umschlossen.

Da liegst du, auf das Sopha hingegossen,
Die Lilienkeime sprengen schier dein Mieder;
Die Demantpfeile deiner Augenlider,
Sie haben meiner Ruhe Rest erschossen.

Hinweg aus diesem märchenhaften Kreise,
Wo tausend Qualen durch die Glieder wühlen,
Hinaus ins Freie, wo die Sterne leuchten.

Durchirrend ferner Fluren Furchengleise,
Will ich in Feld und Wald, den nebelfeuchten,
Der Sinne wilde Lavagluten kühlen.

Collection: 
1855

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