Historia. Ein kleglich geschichte von zweyen liebhabenden. Der ermört Lorenz.

In Cento Novella ich laß,
Wie das ein reicher kauffman saß
Inn Italia, dem welschland.
Misina war die stat genand.
Der selbig het erzogen schon
Drey sün höflich und wolgethon
Und auch ein tochter minigklich,
Schön, wol erzogen, adelich.
Die war Lisabetha genandt,
Inn zucht und tugent weit erkandt,
Derhalb manch jüngling umb sie warb.
Da nun der alte kauffman starb,
Darnach an einem abend spat
Die drey brüder hetten ein rat,
Sie wolten bey einander bleiben
Unnd ihren handel wider treiben
Inn aller maß gleich wie vorhin,
Auff gleichen verlust und gewin.
Das war der schwester wol zu mut.
Die drey gewunnen grosses gut.
All ihr handel gieng glücklich recht.
Sie hetten ein getrewen knecht.
Der selb war Lorentzo genandt,
War geboren aust teutschem landt.
Der selbig trieb in ihren handel.
Er was schön, jung, gerad, an wandel.
Dem selben ward sein hertz verwund
Inn strenger lieb in kurtzer stund
Gegen der jungkfrawen; ich sag:
Bey ir sein hertz war nacht und tag
Und kund das nit von ir ablencken.
Er thet viel tieffer seufftzer sencken
Und het gantz weder rhw noch rast.
Nun was die jungkfraw gleich so fast
Gehn im in strenger lieb versert.
Ir lieb von tag zu tag sich mert.
Allein thetens ir hertz erquicken
Mit viel freundlichen augenblicken,
Teylt eins dem andren haimlich mit.
Doch west eins von dem andren nit,
Biß doch eins dem andren bekennet,
Wie es in strenger liebe brennet.
Nach dem lebtens in freud und wunnen,
Als offt ihn das gelück was gunnen.
Doch ist es war, wie man offt spricht,
Die lieb laß sie verbergen nicht.
Sie triebens kaum ein vierteil-jar,
Da namens ihre brüder war.
Der ein sprach: Die sach steht nit recht.
Mich dunckt warlich, wie unser knecht
Bul Lisabetha, unser schwester.
Ich hab es wol gemercket gester.
Darumb so folget meinem rath!
So wil ich heint zu abend spat
Mich legn haimlich under ir bett.
Ist sach, das der knecht zu ir geht,
Sein lon er darumb nemen sol.
Der rath gefiel in allen wol.
Da nun der tag mit schein ab wich,
Der bruder in ir kamer schlich
Und kroch under ir bettstat ein.
Nach dem kam Lisabetha fein
Und legt sich an ir bett mit nam.
Nach dem Lorentzo zu ir kam,
Waren gantz frölich aller ding.
Frü der knecht wider von ir gieng.
Nach dem Lisabetha auff stund,
Ir bruder herfür kriechen gund,
Kam zu sein brüdern auff den sal
Und sagt in den grossen unfal
Und sprach: Ach waffen uber waffen!
Der knecht hat unser schwester bschlaffen.
Darumb muß er lassen das leben.
Ein guten rat wil ich euch geben:
Wir drey wöllen in walt spaciern,
So muß der knecht mit uns passirn.
Da wöl wir diese schmachheit rechen.
Nach dem frümal theten sie sprechen:
Wir wölln spacieren in den walt.
Wolauff, Lorentz! geh mit und bald!
Lisabetha, du bleib zu hauß!
Mit dem all drey sie giengen auß.
Lorentzo gieng sein herren nach.
Nach Lisabetha er umb sach,
Wann er sach ir fort nimmer mehr.
Mit ihm eylten sie also sehr
Hin in den finstren walt grausam.
Da sprach der eltst bruder mit nam:
Lorentzo, du untrewer knecht,
Du hast uns unser schwester gschmecht;
Darumb so must du sterben hie.
Der knecht fil nider auff sein knie
Und bat, das man in leben ließ.
Der ein sein schwerdt durch in außstieß,
Hieb ihm darnach viel wunden tieff.
Lorentzo gar kleglichen rieff:
Maria, kumb zu meinem end
Und für mein seel auß dem elend!
Mit dem er seinen geist auff gab.
Die drey machten ihm bald ein grab
Und den zerhawten leib eingruben
Und sich bald auß dem walde huben,
Funden ir schwester inn dem hauß.
Sie fragt: Ist Lorentz bliben dauß?
Der ein sprach: Nach im darffst nit fragen.
Er hat uns gar viel guts abtragen,
Ist darmit haimlich weg gezogen.
Sie sprach: Ich hoff, das sey erlogen.
Der bruder sprach: Ey laß darvon,
Eh dir auch wirt darumb dein lon!
Von der red ward ir hertz gar schwer,
Gieng inn ir kamer, waynet sehr,
Rüfft mit weinender stimb elentz:
O du mein hertzlieber Lorentz,
Wie magst du sein so lang von mir?
Solch klag fürt sie ein monat schier,
Eins nachts thet sie lang klagn und weinen.
Da sie endtschlieff, ward ir erscheinen
Inn eym gesicht trawrig, unmutig,
Erblichen tödlich und gantz blutig
Lorentzo, den sie sichtlich sach,
Der gar seufftzend da zu ihr sprach:
Ach wee uns, ach und immer wee!
Lisabet, du siehst mich nit meh.
Du darffst auch nit mehr nach mir fragen.
Dein brüder haben mich erschlagen
Mördlich; heut ist der dreissigst morgen.
Mein leib leyd in dem walt verborgen
Begraben under einer linden.
Mit meim blut ist besprengt die rinden.
Darumb darffst du nit rüffen mir,
Wann ich kumb nimmer mehr zu dir.
Du mehrest mir dardurch mein leyden.
Gesegn dich Got! ich muß mich scheiden.
Mit dem der geist also verschwand.
Lisabeth erwachet zu hand,
Stund auf und war gar schwach und mat.
Gar freundlich sie ihr brüder bat,
Soltens in garten lan spacieren.
Mit ihr nam sie ihr trewe dieren,
Die all ir haymligkeyt wol west,
Die ihr auch rieth allmal das best.
Sie giengen hin in schneller eyl
Inn den walt auff ein welsche meyl,
Suchten, biß das sie wurden finden
Ein grosse außgebreytte linden,
Die war besprenget mit seim blut.
Da das sach Lisabetha gut,
Da sanck sie nider zu der erd.
Ir hertz in amacht wart versert.
Ir meyd thet sie trösten und laben.
Nach dem sie da gesehen haben
New grabne erd, da grubens ein.
Da fund Lisabetha allein
Lorentzo, ihren höchsten hort,
Der lag elendigklich ermort.
Sie sanck darnider zu den stunden
Und kusset ihm sein tieffe wunden.
Die waren all von blut noch rot.
Da rüffet sie: O grimmer tod,
Kumb und beschleuß meins lebens end!
Sie raufft ir har und wund ir hend.
Nach dem das arm betrübte weib
Das haubt löset von seinem leyb,
Das selb sie mit ihr haimwartz trug.
Het sie den gantzen leyb mit fug
Mit ir künden bringen darvon,
Warlich sie het es geren thon.
Den andren leyb sie beyd eingruben
Und sich haimwertz gehn hause huben.
Da sie beschloß ihr kamer thür
Und zog das todte haubt herfür
Und thet da all ihr klag vernewen
Und wainet so in gantzen trewen
Und kust das tod haubt zu der stund
Wol tausentmal an seinen mund,
Palsamiert das für all gebruch,
Wund das inn ein grün seyden tuch,
Druckt das an ir brust wunnesam.
Nach dem sie ein wurtz-scherben nam,
Leget darein das haubet werd,
Thet darein und drauff frische erd
Und pflantzet auff das haubet zart
Ein schmecket kraut von guter art.
So lag das haubt im scherbn verborgn.
Darnach wenn sie auffstund all morgn,
Zu stund sie zu dem scherben gieng,
Darob zu wainen anefing,
Biß er wurd allenthalben nas
Und auch mit rosenwasser; das
Kraut wuchs und wudlet also sehr
Von tag zu tag ye lenger mehr.
Die fraw den scherben het so lieb,
Den gantzen tag sie bey im blieb.
Als nun ihr brüder merckten, das
Ir dieser scherb so liebe was,
Den scherben sie ihr haymlich stalen
Und den inn ein druhen verhalen.
Da nun Lisabetha auffstund
Und ihren scherben nicht mehr fund,
Sprach sie: O wee, nun muß ich sterben.
Hab ich verloren meinen scherben?
Vor layd sie zu der erden sanck
Unnd ward von gantzem hertzen kranck.
Die brüder sprachen all gemein:
Was mag nur in dem scherben sein?
Vielleicht hats ihren schatz darinnen.
Und mit gar ungetrewen sinnen
Thetens den wurtz-scherben außlern,
Schütten herauß kraut und die ern.
Da fundens das todt haubet zart.
Darob erschracken sie sehr hart,
Wann sie kendten es an dem har,
Das Lorentzen irs knechtes war.
Das haubet wurd von in verborgen.
Bald namens ir barschafft mit sorgen,
Flohen inn Neapolis und
Nach dem ein fraw den scherben fund
Unnd sagt Lisabetha die mär,
Wie ir scherben gefunden wer.
Lisabeth in dem bett auff saß,
Wolt sehen, wo ir scherbe was.
Doch war das haubt nit mehr darinnen
Da fiel sie mit betrübten sinnen
Umb und gab auff ihr trawrig seel.
Da loff zu alles volck gar schnell.
Zuhand ihr magd da anefing,
Erzelt den leuthen alle ding,
Wie sich all sach hette begeben
Inn lieb zwischen ir beyder leben
Und wie ermördet läg Lorentz.
Sein leib den holet man behentz.
Auch fund man das todt haubet klug.
Beyde leib man gen kirchen trug.
Da wainten die reichen und armen.
Ir beyder todt thet sie erbarmen.
Man legt sie inn ein grab zusamen.
Ir beyder seel, ob Gott will, kamen
Zusamb dort in ewigen frewden.
Da sind sie ewig ungescheyden.

Der beschluß.

So nemet diß geschicht zu hertzen,
Wie lieb offt bringet grossen schmertzen,
Schad, schand und ander ungelück
Und bringet viel der bösen stück!
Derhalben frawen und junckfrawen
Sollen sich mit fleiß wol fürschawen,
Das solche lieb sie nit betrieg
Und in im hertzen angesieg,
Dardurch ihn als unglück zusteh,
Sonnder sollen biß inn die eh
Sparen ihr lieb, die ist mit ehren.
Auß ehlicher lieb thut sich mehren
Heyl und gelück alhie auff erd,
Ist bey Gott und dem menschen werd.
Auff das ehliche lieb auffwachs
Inn rechter trew, das wünscht Hans Sachs.

Der spruch der ist mein erst gedicht,
Des ich sprüchweiß hab zu gericht.
Anno salutis 1515, am 7 tag Aprilis.
(Band 2 S. 216-222)
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Collection: 
1870

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