Vergangenheit und Gegenwart

Zwei Sonette

1.
Schwer war gedrückt die Flur vom Wintereise,
Und von dem weithin finstern Himmelsbogen
Kam sturmgepeitscht der Schnee herabgeflogen,
Verschüttend ganz des Waldwegs enge Gleise.

So ging durch Nacht und Nebel meine Reise,
Doch Muth und Frohsinn freundlich mit mir zogen;
Es schwebte Phantasie auf lichten Wogen,
Und Hoffnung zog um mich die Zauberkreise.

Und als ich anlangt' in der Heimath Zonen,
Da kam die Liebe, herrlich mir zu lohnen,
Und ließ mich ganz in ihrem Tempel wohnen.

Da blühte mir der Mai im Rosenglanze,
Die Horen schwebten mir im schönen Tanze
Vorbei, geschmückt mit immer neuem Kranze.

2.
Jetzt lacht der Lenz aus lichtbegrünten Zweigen,
Das volle Leben drängt sich heiß hervor,
Es tönt der Waldessänger froher Chor,
Der Himmel will sich liebend niederbeugen.

Doch ob rings heit're Klänge aufwärts steigen,
Obgleich mir wieder stiller Heimath Thor
Sich gastlich öffnet - finstrer Trauerflor
Umhüllt mich doch, und grambeklommnes Schweigen.

Wohl grüßen rings mich holdbekannte Züge,
Die heil'ge Stätte, meiner Liebe Wiege,
Auch die hab' ich wohl endlich wiederfunden.

Doch sie, die erst das lichte Frühlingsleben
Mir und der trauten Heimath konnte geben,
Die Einzige, Geliebte ist entschwunden!

Collection: 
1826

More from Poet

  • O lichter Mai, du Bote süßer Liebe,
    Der hold die Erd' umhüllt mit Lenzesprangen,
    Den ihr der Himmel schickt in glühndem Triebe,
    Daß bräutlich sie den Bräut'gam mög' umfangen,
    Wie lächelst du nach Winters langer Trübe!
    Du spielst...

  • Der Jüngling ging durchs Dunkel hin
    In blassem Mondenscheine.
    Ihm war's so weh in Herz und Sinn,
    So traurig und alleine.

    Der Jüngling ging durch grünen Wald,
    Da lauschte zwischen Bäumen
    Die allerlieblichste Gestalt...

  • Brillanten Bilder in der Nacht
    Am hohen Himmel funkeln.
    Sie glänzen in erhab'ner Pracht,
    Und schau'n so herrlich durch die Nacht,
    Wie brennende Karfunkeln.
    Doch wenn das Morgenroth erwacht,
    Beginnt ihr Licht zu...

  • Brüder, eine alte Lehre,
    Die ich hoch und tief verehre,
    Spricht, wer Frauenzimmern traut,
    Hat auf lockern Sand gebaut.

    Habt ihr noch in euren Jahren
    Nicht des Sprüchleins Kraft erfahren,
    Noch ein kurzes Spännelin...

  • Zwei Sonette

    1.
    Schwer war gedrückt die Flur vom Wintereise,
    Und von dem weithin finstern Himmelsbogen
    Kam sturmgepeitscht der Schnee herabgeflogen,
    Verschüttend ganz des Waldwegs enge Gleise.

    So ging durch Nacht...