Der Mai

O lichter Mai, du Bote süßer Liebe,
Der hold die Erd' umhüllt mit Lenzesprangen,
Den ihr der Himmel schickt in glühndem Triebe,
Daß bräutlich sie den Bräut'gam mög' umfangen,
Wie lächelst du nach Winters langer Trübe!
Du spielst so freundlich mir um Brust und Wangen,
Und weck'st mir, die so lang gefesselt schliefen,
Geheime Kräfte in des Busens Tiefen.

Denn wie, wenn du dich nahst auf goldnen Schwingen,
Rings Hain und Flur erglüht in heller Pracht,
Und alles lebt, und tausend Vögel singen,
Aus tausend Blumen deine Milde lacht:
So ist in meiner Brust ein Blühn und Klingen,
Ein neues Leben sonnenhell erwacht.
Die Ahnung schwebt herab aus Sternenräumen,
Sehnsucht, Wehmuth und Liebe spielt in Träumen.

Und sieh', das weite Reich der Phantasien
Ist aufgethan in heller Festlichkeit,
Das bunte Leben wogt, die Farben glühen,
Und alles webt in holden Wechsels Streit;
Und tausend Sterne blitzen auf und fliehen,
Wie Bild an Bild, wie Klang an Klang sich reiht -
Der Himmel öffnet sich, in heitrer Feier
Schwebt hoch des Liedes Göttin mit der Leier.

Drum sei gesegnet mir in Lieb' und Treue,
Sei mir gegrüßt, du holde Maienpracht!
Nimm meinen Dank für all' das schöne Neue,
Das du im Busen hell mir angefacht,
Durch Licht und Wärme, Grün und Himmelsbläue
Durch deinen Tag, durch deine Zaubernacht!
O laß mich in viel tausend süßen Weisen
Dein wunderholdes Bild nach Würden preisen!

Collection: 
1826

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