Walkürenruf

 
Sie fahren auf wildem Roß durch die Nacht,
Daß die Sterne wie Funken stieben;
Und die Stolzeste, Rotgelockte lacht:
"O hüte dein Herz vom Lieben!

Uns wird keine Wonne und keine Qual
Vom Erdengeschlecht der Männer;
Wir fahren aus eurem Nebeltal
Wunschlos, auf göttlichem Renner.

Denn Liebe, du arme Erdenfrau,
Treibt nur als Blüte die Reue.
Das Glück stirbt schnell — die Jugend wird grau,
Und nur bei den Sternen ist Treue ...

Wir fahren Jahrtausende durch den Wind
Und tragen tote Recken,
Und bringen, die erschlagen sind,
Hinauf, daß Götter sie wecken!"

"So trage auch mich, Walküre der Kraft,
Mein Herz ist auch erschlagen —
Ich habe gekämpft in Leidenschaft,
Die Seele voll stummer Klagen —"

Da sprach die Kühne: "Sei uns Genoß!
Greif fest die goldenen Zügel,
Vor deiner Kammer harrt ein Roß,
Und das hat Wunderflügel ...

Hörst du aus allen Höhen den Ruf?
Kannst mitten ins Himmelstor reiten:
Denn deines Dichterrosses Huf,
Der meistert die Welt und die Zeiten! ..."

— Das war eine Nacht! Da auferstand
Die Kraft aus totem Sehnen!
Ein Morgen ging auf über lenzendes Land
Und über Tau und Tränen ...

aus: Alberta von Puttkamer – Jenseit des Lärms. Dichtungen
Schuster & Loeffler, Berlin und Leipzig, 1904

Collection: 
1885

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