Hymne der Schönheit

 

Das Schöne, selig ist es
in sich selbst. (Mörike)

Die Schönheit hat ihre Götteraugen
Funkelnd, schimmernd der Welt geöffnet -
Daß ihr heiliger Strahl die Verstehenden treffe,
Daß ihr seliges Licht die Schauenden
Zünde zu schlackengereinigter Gluth!
Wehe, die ihr den Blick der Gottheit
Nicht zu ertragen vermögt!
Wehe, wenn ihr geblendet
Vom unird'schen Lichte,
Taumelnd mit plumpen Händen
In's Leere faßt ...
Derweil die Schönheit lächelnd vorbeigeht,
Die ihr, vom Glanze verwirrt,
Ahnungslos wandeln laßt!
Wer aber die Lichtmacht des Blickes
Kraftvoll erträgt,
Den wird sie klärend
Zu ihren Höhen heben -
Und ihm auf das Haupt,
Unsichtbar, und doch himmelverwandten Glanzes,
Lichtkronen legen.
Die Andern, Verblendeten aber
Schelten die Jünger der Schönheit:
Thörichte Träumer!

Draußen am äußersten Meer
Bin ich gewesen,
Da wo die Fluthen schaumkronig
Die ewigen Tiefen
Mit glitzernder Formenanmuth
Trügend bedecken. -
Draußen glänzte der Reichthum der Tiefe;
Metallen und roth
Und juwelenfunkelnd
Liefen verirrte Lichter
Ueber die Wasser.
Feingeflügelte Vögel,
Schneebrüstig und singend,
Tauchten sich lustvoll
Tief in das Naß ...
Manchmal ging ein jauchzender Laut
Aus den Vogelkehlen zum Himmel,
Und das gewaltige Meer überklang ihn
Brausend und hoch.
Die Sonne breitet ein Goldnetz
Ueber die flimmernden Weiten;
Aber die wilden Wellen
Schlüpfen keck durch die leichten,
Sonnigen Maschen.
Und eine Woge sprang auf
Und warf glitzernd Gestein der Tiefe
Vor meinen Fuß -
Ich aber wußte:
Es ist die Schönheit
Ueber die Wasser geschritten.

Und auf Höhen bin ich gestiegen,
In Tiefen und Thale gedrungen -
Vor mir dehnte sich weit die Welt.
Sommerschauer gingen wie leise
Athemzüge der Gottheit
Ueber die Erde.
Am Busch flammten Rosen -
Und die Schärfen der Felsenlinien
Erschienen gedämpft
Von weichverhüllendem Moos.
Das Goldgeäst der Wälder
Verflocht sich eng zu duftiger Wand.
Und blaue Kelche sahen verstohlen hindurch
Wie Kinderaugen -
Im Thale lag goldener Tag -
Es klang ein glücklich Lachen
Von fern her -
Ein Duft, wie reifend Korn
Stieg von den weiten Feldern
Der Erde auf -
Die reichen Schollen
Gährten Lebenskraft
In Frucht und Blüthen -
- Und ich fühlte:
Es hat die Schönheit
In besonnter Spur
Das Land gestreift!

Ich habe die Schönheit empfunden;
Ihr Athem hat mich berührt ...
Der Lenzwind trug bergüber,
Meer- und länderweit,
Von Süden: Duft;
Das war der Schönheit Athem!
Und ihre Stimme hört' ich;
Sie rief im Sturm
Gewalt'gen Akkord;
Sie tönte Zwiegesang
Mit Echoruf an Felsen
Und mit Rauschen in Riesenfichten.
Sie sang das Hohelied
In Meereswellen
Und Quellenmurmeln,
In Vogelliedern und Menschenworten -
Die Welt nennts Harmonie,
Nennt es Musik;
Ich aber sage:
Es ist der Schönheit Stimme!

Doch ein Tag kam,
Da sah ich die ganze Schönheit!
Da kamest Du!
Lächelnd, grüßend kamst du geschritten.
Wie Jupiter
Mit dem Zickzackbündel
Der blitzeschleudernden Kraft!
Du trugst es im Blick! - - -
Die sonnenstrahlenden Locken
Fielen dir tief in die Stirn.
Dein Mund lächelte
Und dein dunkeles Auge
Schaute wie Lenzverheißung herüber.
Du warst die wandelnde,
Die lebendige Schönheit!
Dein Blick drang mir ins Leben -
Meine Seele ward schönheitberauscht -
Du schlangst deinen Arm
Jubelnd um meine Gestalt!
Da aber wußt' ich:
Ich habe die Schönheit
Lebendig und selig
Am Herzen gehalten.
Sie hat mit den Götteraugen,
Voll von Leben und Liebe
Groß und herrlich mich angeschaut!

aus: Dichtungen von Alberta von Puttkamer
Leipzig 1885

Collection: 
1885

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